Kein Blick für den Angeklagten
Jahrelang hat André Bamberski auf einen neuen Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder seiner Tochter Kalinka gewartet.
Paris. Auf diesen Prozess hat André Bamberski fast 30 Jahre gewartet — am Dienstag war es soweit. Vorbei an Dutzenden Fernsehkameras bahnt sich Kalinkas Vater den Weg. Der Pariser Justizpalast ist Schauplatz eines Justizkrimis, der in Frankreich hohe Wellen schlägt. Um kurz vor zehn Uhr nimmt der deutsche Internist Dieter K. (75) Platz hinter dickem Panzerglas. Der Mann, in dem Bamberski den Mörder seiner Tochter sieht.
Während Bamberski triumphierend in Prozessakten blättert, kauert der Angeklagte unsicher auf seinem Stuhl. Es ist ein Duell zweier verfeindeter Männer, die sich keines Blickes würdigen. Für Bamberski steht fest, dass K. seine 14 Jahre alte Tochter Kalinka missbraucht und mit einer Spritze getötet hat. K. bestreitet das.
K. ist dunkel gekleidet, trägt Sakko und Rolli. Er ist herzkrank und seine hohlen Wangen lassen vermuten, dass er in den vergangenen 18 Monaten im Gefängniskrankenhaus in Fresnes einige Pfunde verloren hat.
Wenn die Vorsitzende des Schwurgerichts, Xavière Simeoni, das Wort an K. richtet, wird er sichtlich nervös, verhaspelt sich. Obwohl zwei Dolmetscher zur Verfügung stehen, versucht er französisch zu sprechen.
Unter welchen Umständen Kalinka, die im Juli 1982 ihre Mutter, die mit K. verheiratet ist, besuchte, rückt am Dienstag in den Hintergrund. Die Verteidigung betont stattdessen die angebliche Nichtigkeit des Prozesses, weil niemand zweimal in derselben Sache verurteilt werden könne. K.s Anwalt attackiert André Bamberski: „Ihnen geht es nicht um Gerechtigkeit, Sie wollen Rache.“