Keine Öffnung des Zölibats Ernüchterung und Enttäuschung: Franziskus' verpasste Chance

Rom · Keine Aufweichung des Zölibats. Kein Frauen-Diakonat. Papst Franziskus setzt seinen konservativen Gegnern nichts entgegen. Kardinal Marx konnte den Reformweg in Deutschland unter diesen Vorzeichen kaum mehr gehen.

Papst Franziskus spricht während einer Heiligen Messe.

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Es war fast auf den Tag sieben Jahre her, als Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt verkündete. Mit seinem Nachfolger Franziskus keimten Hoffnungen auf eine Erneuerung der Kirche auf. Doch von dieser Hoffnung ist heute kaum noch etwas geblieben. Das Lehrschreiben zur Amazonas-Bischofssynode verdeutlicht das sehr eindrücklich.

Seit Monaten drehte sich alles um die „Z-Frage“: Also darum, ob Franziskus verheiratete Männer in der abgelegenen Regenwaldregion als Priester zulässt, um den extremen Priestermangel zu bekämpfen. Oder ob er es nicht tut und somit seinen konservativen Kritikern entgegenkommt. Der Vatikan bemühte sich, das Thema unter den Teppich zu kehren und zu betonen, es gehe bei dem Schreiben um Umweltzerstörung im Amazonas. Doch den Geist konnte niemand mehr zurück in die Flasche stopfen.

Bei der Vorstellung des Dokuments wurden bunte Bilder und Videos vom Regenwald gezeigt. Als ginge es nicht um einen Richtungsstreit in der Kirche. In dem fast 30 Seiten langen Schreiben windet sich Franziskus um die Frage herum, beschreibt die Rolle des Priesters und dass nur dieser die Eucharistie feiern und die Beichte abnehmen kann. Er verliert kein Wort zu den Verheirateten und zum Zölibat - und zerschlägt damit Hoffnungen von Reformern, dass es unter ihm eine Lockerung in der Frage der Ehelosigkeit von Priestern gibt. Stattdessen sollten Laien mehr Aufgaben bekommen und Bischöfe in Lateinamerika Männer zum Priesterdienst im Amazonas ermuntern. „Eine Öffnung zur Weihe von verheirateten Männern gibt es nicht“, sagt Thomas Schüller vom Institut für Kanonisches Recht an der Universität Münster.

Ernüchterung herrscht auch beim Thema Diakonat für die Frau. Hier haben in Deutschland Bewegungen wie „Maria 2.0“ deutlich gemacht, wie dringend es Erneuerungen braucht. Der Papst betonte, Frauen sollten „Zugang zu Aufgaben und auch kirchlichen Diensten haben, die nicht die heiligen Weihen erfordern, und es ihnen ermöglichen, ihren eigenen Platz besser zum Ausdruck zu bringen“. Das heißt: Die Tür ist nicht nur für die Priesterweihe geschlossen, sondern auch für die Weihe zu Diakoninnen.

Stattdessen heißt es etwas altertümlich: „Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben.“

Schüller spricht von einem „überkommenen Frauenbild“. „Konservative Theologen werden in die Hände klatschen.“ Im Pontifikat von Franziskus werde beim Thema Zölibat und Frauenweihe „nichts mehr passieren“. „Er war ein Papst, der Hoffnungen erweckt hat, wenigstens ein bisschen zu reformieren, zarte Pflänzchen zu setzen“, sagt Schüller. „Er hat den letzten Kredit verspielt bei denen, die auf ihn gesetzt haben.“

Der Theologe Massimo Faggioli von der Villanova-Universität sieht Rückschritte in die Vergangenheit. „Viele werden sagen, dass das Joseph Ratzinger vor zehn Jahren oder Johannes Paul II. vor 30 Jahren geschrieben haben könnten.“ Franziskus sei zudem überhaupt nicht auf die Forderungen der Teilnehmer der Amazonas-Synode im Oktober eingegangen, obwohl er stets betont, wie wichtig die Mitsprache der Bischöfe von vor Ort ist.

Für Deutschland wird das Schreiben „Querida Amazonia“ (Geliebtes Amazonien) ein besonders herber Rückschlag sein. Schließlich debattiert die Kirche dort bei ihrem Reformprozess Synodaler Weg über genau diese Themen. „Da brauchen sie in Deutschland den Synodalen Weg gar nicht mehr machen“, sagt Kirchenrechtler Schüller. „Es macht ja keinen Sinn, ein Votum nach Rom zu schicken, wenn sie das dann dort eh ablegen.“

Es liegt nahe, dass der am Vortag angekündigte Rücktritt von Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz auch mit dem Schreiben aus Rom zusammenhängt. Er streitet das zwar ab, sein Entschluss sei schon vor Weihnachten gefallen. Aber Marx ist die treibende Kraft hinter dem Reformprozess, den er im Zuge des Missbrauchsskandals eingeleitet hatte.

Er kämpfte nicht nur mit Gegenwind in Deutschland von Bischöfen wie Rainer Maria Woelki und Rudolf Vorderholzer. Auch aus Rom kamen immer wieder verwirrende Signale. So bremste der Vatikan bereits den Vorstoß aus Deutschland zur möglichen Teilnahme protestantischer Ehepartner an der Kommunion aus. Und auch beim Synodalen Weg kam Post aus Rom, dass Deutschland sich nicht alleine auf Abwege machen dürfe. Den Bischöfen in Deutschland nun die Position des Papstes zu erklären: Dazu hat der einflussreiche Marx womöglich keine Kraft und Nerven mehr.

Das jetzige Schreiben dürfte aber auch Franziskus' Gegner nicht verstummen lassen, selbst wenn er sich keinen Millimeter in Richtung Öffnung bewegt. „Der Papst ist in einer Sackgasse, denn offensichtlich war die Opposition zu stark, so dass er keine Wende herbeiführen konnte“, sagt Marco Politi, der mehrere Bücher über Franziskus geschrieben hat. „Die Konservativen werden nicht still stehen.“

Franziskus verfolgt seit Anfang an die Linie: Ich öffne mich einem Thema, erwecke Hoffnungen und lasse dann alles in der Schwebe - auf dass sich jeder seinen eigenen Reim drauf macht. So war es auch bei seinem Lehrschreiben „Amoris Laetitia“, bei dem es 2016 auch um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ging. Auch da wartete die Welt auf eine konkrete Ansage und sah sich dann mit einem Dokument konfrontiert, in dem die Aussagen in Fußnoten verklausuliert wurden. Es folgte ein Brief konservativer Kardinäle, die von Franziskus Aufklärung verlangten. Um die Kirche zusammenzuhalten, bräuchte es konkrete Ansagen. Diese hat Franziskus mit diesem Schreiben nicht vorgelegt.