Kifferkrise in Holland: Aus für Drogentourismus?
Amsterdam (dpa) - Zehn Minuten. Länger braucht man nicht, um in Amsterdam aus dem Zug zu steigen und einen Joint zu kaufen. Schon in Laufnähe des Zentralbahnhofs bieten etliche Kifferkneipen mit Namen wie „Rastababy“ oder „Funny People“ Cannabis an, ganz legal.
Rund 230 dieser sogenannten Coffeeshops machen in der Haschisch-Hauptstadt der Welt beste Geschäfte - auch dank vieler junger Leute, die stündlich in Zügen aus Deutschland ankommen. Doch es herrscht Endzeitstimmung in Hollands Coffeeshops: Den lukrativen Drogentourismus will die neue Regierung in Den Haag unterbinden.
Wenn sich das Kabinett aus Rechtsliberalen und Christdemokraten durchsetzt, sind die Niederlande zumindest für ausländische Besucher die längste Zeit das „Königreich für Kiffer“ gewesen. Laut Koalitionsvertrag sollen alle Coffeeshops - noch sind es landesweit rund 670 - gezwungen werden, sich in geschlossene Clubs umzuwandeln. Mitglieder dürfen nur „volljährige Einwohner der Niederlande“ sein.
Ein vernetztes elektronisches Pass-System soll verhindern, dass jemand schummelt und mehr als die erlaubten fünf Gramm Cannabisprodukte pro Tag und Person kauft. Als Justizminister Ivo Opstelten die Regeln verkündete, erntete er Lob in Gemeinden von Grenzregionen. Sie klagen seit Jahren über Belästigungen durch halbstarke Kiffer aus Deutschland und Belgien. Doch in Amsterdam stimmten Betreiber von Haschischkneipen und die Stadtverwaltung in einen großen gemeinsamen Aufschrei der Empörung ein.
Ein Rückfall in schlimme Zeiten sei das, wetterte Eberhard van der Laan, der sozialdemokratische Bürgermeister der alten toleranten Grachtenstadt. „Der Coffeeshop ist eine Amsterdamer Erfindung“ sagt Van der Laan. Seit 1976 maßgeblich auf Betreiben Amsterdams das Rauschmittelgesetz der Niederlande reformiert wurde, dulden Polizei und Justiz den Konsum „weicher Drogen“ in lizenzierten Coffeeshops.
Wenn man die Haschkneipen nun für die Hunderttausenden von ausländischen Touristen sperrt, sagt Van der Laan, „bekommen wir bald wieder die Zustände von einst, dann kehren die Dealer auf unsere Straßen zurück“. Und die würden wie früher neben Hasch auch gleich Heroin und andere hochgefährliche Suchtstoffe verhökern. „Die Coffeeshops haben den Gebrauch weicher Drogen beherrschbar gemacht. Wir haben dort alles unter Kontrolle.“
Den Vorwurf, es gehe Amsterdam doch weniger um die Sicherheit als um die Millioneneinnahmen durch Cannabistouristen aus aller Welt, weist der Bürgermeister zurück. Nur ein Viertel der jährlich rund vier Millionen ausländischen Besucher der Weltkulturerbe-Stadt gönne sich neben Rembrandt- oder Van-Gogh-Museum auch den einen oder anderen Joint. „Die meisten Touristen kommen nicht wegen der Coffeeshops, aber sie würden bald wieder von Straßendealern belästigt werden, wenn sie da nicht mehr rein dürften.“
Doch Justizminister Opstelten bleibt hart: Keine Ausnahmen, Amsterdam solle sich mal ein Beispiel an der Stadt Maastricht nehmen. Die dortigen Behörden haben bereits ein Verbot des Cannabisverkaufs an Ausländer ausgesprochen. Allerdings liegt es noch auf Eis. Die Vereinigung der Coffeeshops in Maastricht hat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg dagegen geklagt. Sie argumentiert, dass eine solche Ausgrenzung von Ausländern gegen grundlegende Rechte der Bürger im Gebiet der Europäischen Union verstoße.
Das Urteil wird noch vor Jahresende erwartet. Manches deutet darauf hin, dass es nicht im Sinne der Coffeeshop-Betreiber ausfallen wird. Weil viele Drogentouristen es in Holland nicht bei einem Joint belassen, sondern auch versuchen, Cannabisprodukte mit nach Hause zu nehmen, haben Deutschland und andere EU-Staaten ein starkes Interesse daran, dass der EuGH die Klage zurückweist. Schließlich sei Cannabis keineswegs eine Ware, die den Vorschriften für den europäischen Binnenmarkt unterliegt, argumentierte Generalanwalt Yves Bot, der die Stadt Maastricht vertritt. Und der Drogentourismus in die Niederlande sei doch nur die verschleierte Form eines eigentlich europaweit illegalen Drogenhandels.