Knackpunkt Vaterschaft: Wenn der falsche Papa auf dem Papier steht

Ein Paar aus Solingen hadert mit dem rechtlichen Status seines Sohnes. Als Vater ist der Noch-Ehemann der Mutter statt des wahren Vaters eingetragen.

Foto: Kristin Dowe

Solingen. Liebevoll wiegt Gregor W. aus Solingen seinen Sohn im Arm. Eigentlich könnte für ihn alles so schön sein. Vor wenigen Wochen hat der kleine Jakob das Licht der Welt erblickt. Wie die meisten Väter könnte der Solinger angesichts dessen platzen vor Stolz. Wenn er den Kleinen anschaut, ist für ihn klar: Er ist der leibliche Vater des Kindes, dessen Gesichtszüge unverkennbar seinen eigenen gleichen.

Doch auch wenn außenstehende Betrachter auf den ersten Blick erkennen dürften, dass W. der Vater des Kindes ist — vor dem Gesetz ist er es nicht. Denn auf dem Papier ist seine Freundin noch immer mit ihrem vorherigen Partner verheiratet. Zwar hatte die Solingerin bereits 2013 die Scheidung eingereicht, doch schleppte sich der Scheidungsprozess aus unterschiedlichen Gründen lange dahin, so dass bei Jakobs Geburt die Scheidung noch immer nicht rechtskräftig war.

Mit unangenehmen Folgen für alle Beteiligten: Denn für den Gesetzgeber ist der Noch—Ehemann der Mutter der rechtliche Vater des Kindes und trägt als solcher auch das Sorgerecht für den Jungen. „Das ist für mich eine große psychische Belastung“, gibt Gregor W. offen zu. „Ich liebe den Kleinen über alles und möchte natürlich auch als sein rechtlicher Vater in der Geburtsurkunde stehen.“

Dabei geht es keineswegs nur um emotionale Befindlichkeiten, sondern um gravierende Probleme, die sich stellen könnten, wenn das Kind etwa einmal dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen sein sollte. Denn nur der rechtliche Vater darf einen Arzt für seinen Sohn konsultieren und als Sorgerechtsträger beispielsweise eine Untersuchung genehmigen. Auch trägt das Kind nunmehr den Namen des Noch-Ehemanns statt den seines leiblichen Vaters. Zwar hatte die Mutter Melek B. während der Schwangerschaft versucht, den Scheidungsprozess zu beschleunigen, doch konnten nicht mehr alle bürokratischen Hürden rechtzeitig genommen werden. Nun versucht das Paar, die Vaterschaft von Gregor W. vor dem Gesetz anerkennen zu lassen und zieht bei diesem Ziel mit dem „Vater wider Willen“, mit dem Mutter Melek B. zurzeit noch verheiratet ist, an einem Strang.

Was wie verkehrte Welt klingt, ist in Deutschland geltendes Recht und kommt gar nicht mal selten vor, wie Markus Witt, Sprecher des Vereins „Väteraufbruch für Kinder“ bestätigt. „Im vorliegenden Fall kann man von Glück sprechen, dass sich alle Beteiligten einig sind, wer der Vater des Kindes ist und auch rechtlich als solcher anerkannt werden soll. In unserer Beratungspraxis sind wir häufig mit sehr viel drastischeren Fällen konfrontiert, was die deutsche Trennung zwischen rechtlichem und biologischem Vater betrifft.“ Gerade Väter von sogenannten Kuckuckskindern, die etwa aus einer Affäre hervorgegangen sind, hätten mitunter kaum eine Chance, Umgang mit ihrem Nachwuchs zu haben, wenn der rechtliche Vater sich dagegen sperrt, berichtet Witt und fordert mit seinem Verein seit Langem eine Stärkung der Rechte leiblicher Väter. „Wir haben heute die medizinische Möglichkeit, eine Vaterschaft zweifelsfrei feststellen zu können. Dann sollten wir sie auch nutzen und unsere Konsequenzen daraus ziehen. Die aktuelle Rechtslage ist reformbedürftig.“

Gregor W. aus Solingen

Zwar bedauert Petra Wandt, Teamleiterin Beistandschaft beim Stadtdienst Jugend in Solingen, die Situation des jungen Paares, die Rechtslage in so einem Fall sei aber klar geregelt, erläutert sie: „Wenn ein Kind in eine auf dem Papier noch bestehende Ehe hineingeboren wird, geht der Gesetzgeber automatisch davon aus, dass es sich bei dem Ehemann auch um den Vater des Kindes handelt. Das gilt auch dann, wenn der Ehemann die Frau zehn Jahre nicht gesehen hat und beide längst getrennt leben.“ Ursprünglich hatte diese Regelung im Familienrecht den Zweck, dass ein Kind nicht „vaterlos“ aufwachsen muss.

Auch Rechtsanwalt Volker Munsch hat häufig mit ähnlichen Fällen zu tun. Grundsätzlich habe das Paar in der vorliegenden Konstellation zwei Handlungsmöglichkeiten: „Der steinigere Weg führt dabei über eine Vaterschaftsanfechtungsklage, bei der rein formal gegen den Scheinvater, also den Noch-Ehemann, geklagt wird. Wenn dieser die Klage bestätigt, kann der Familienrichter den Beschluss fassen, dass er nicht der Vater des Kindes ist“, erläutert der Jurist. „Dann wird der Scheinvater aus der Geburtsurkunde gestrichen, wodurch das Kind zunächst einmal den Status eines nicht ehelichen Kindes ,ohne Vater’ erhält. Wenn nun der neue Lebenspartner der Frau seine Vaterschaft anerkennt, muss eine neue Geburtsurkunde ausgestellt werden.“ Sollten die Eltern später heiraten, könne auch das Kind aus der alten Verbindung als eheliches Kind legitimiert werden.

Einfacher scheint da die Möglichkeit, dass alle Beteiligten beim Amtsgericht urkundlich bestätigen, wer der wahre Vater des Kindes ist, was Gregor W. und Melek B. bereits getan haben. „Damit ist die gesetzliche Ehelichkeitsvermutung erst mal durchbrochen“, erklärt es Volker Munsch in schönstem Juristendeutsch. Doch auch dann ist die Anerkennung der Vaterschaft noch „schwebend unwirksam“, so lange die Scheidung nicht rechtskräftig ist.

Gregor W. gibt offen zu, sich nie zuvor mit solchen juristischen Spitzfindigkeiten befasst zu haben. „Als Vater hat man da erst mal andere Sorgen, als den rechtlichen Status seines Sohnes zu prüfen. Uns war das einfach nicht bewusst.“ Zwar ist die Geburtsurkunde letzten Endes nur ein Stück Papier, doch hat sie für den Solinger eine persönliche Bedeutung. „Ich bin als Vater noch nicht angekommen.“