Knochenjob im Pailletten-Dress
Petra Matschuck aus Siegen tritt seit 15 Jahren als Nackttänzerin im legendären Pariser Revuetheater Lido auf.
Paris. Die Gentlemen von der Insel füllen zwei lange Tische in der ersten Reihe. Die Stimmung ist bestens, nicht nur weil der Champagner fließt. "Bonheur", "Glück", heißt die schillernde Show im Lido, und Glückseligkeit steht auch in ihren geröteten Gesichtern geschrieben.
Die Lido-Diven bringen die Zuschauer eben immer noch zum Staunen. Mitten im Gewippe der Strasssteine und Straußenfedern, Pailletten und Pompons tanzt Petra Matschuck aus Siegen. "Es gibt immer wieder Momente, da frage ich mich: Was machst du da eigentlich oben ohne auf der Bühne?", sagt die 41-Jährige. Seit 15 Jahren steht sie auf den Brettern des Lido und zählt damit zu den dienstältesten Tänzerinnen des Hauses.
Petra Matschuck schaut gern auf ihre Karriere zurück, auf die Geschichte vom Mädchen aus der deutschen Provinz, das den legendären Varieté-Tempel auf den Champs-Elysées erobert hat. Schon mit dreieinhalb schicken ihre Eltern sie zum Ballettunterricht. "Nach dem Abi stand fest, ich werde Tänzerin", erzählt sie. Sie studiert an der Tanzakademie Tilburg das volle Programm - klassischer und moderner Tanz, Jazz, Folklore, Pädagogik, Musik. Danach tingelt sie mit dem Tanzlehrerdiplom in der Tasche durch die Provinz. Bis sie schließlich in der surrenden Weltstadt Paris Fuß fasst.
Die Show "Bonheur" ist ein fast zweistündiges Spektakel mit 70 Darstellern, 600 Kostümen und 23 Bühnenbildern. Wer allerdings hinter die schillernden Kulissen blickt, entdeckt hart arbeitendes Personal. "Tanzen im Lido ist ein echter Knochenjob", sagt Petra Matschuck ungeschminkt. Sechs Mal in der Woche stehen die 30 "Mademoiselles" auf der Bühne, für zwei Shows pro Abend und eine Tagesgage von 112 Euro brutto. Wenn sich die "danseuses" zuhause erschöpft in die Kissen fallen lassen, ist es meist zwischen vier und fünf Uhr früh.
Dank ihrer Routine ist Petra Matschuck inzwischen zur "Capitaine" der 18 Nackttänzerinnen aufgestiegen. Deshalb ist sie am frühen Nachmittag schon wieder im Theater, entweder um mit neuen Tänzerinnen Schritte einzustudieren oder um Dienstpläne zu erstellen.
Drei Jahre soll die "Bonheur"-Show noch laufen, solange möchte die Siegenerin mindestens noch tanzen. "In der Show haben wir keine Namen, wir sind durchnummeriert", sagt sie, die "11". Heute zeigt sie Julie, welche Schrittfolgen die Choreografie für den "3. Platz" vorschreibt. "Un-deux, trois-quatre", kommandiert sie in Jogginghose und T-Shirt. "Voilà, klappt doch", sagt "Capitaine" Petra, die unter Professionalität nicht allein perfekte Körperbeherrschung versteht. Sie verlangt von den Mädchen auch Respekt vor dem Publikum. "Die bezahlen viel Geld (195 Euro, um genau zu sein) für die Show, da darf man auch mal kokett zwinkern", predigt sie lächelnd.
Zu den erbarmungslosesten Kritikern der Lido-Tänzerinnen zählen übrigens nicht die männlichen Gäste, sondern ihre weiblichen Begleiterinnen. Beine, Po, Busen der Tänzerinnen werden mit akribischen Blicken intensiv vermessen. PetrLidoa Matschuck: "Das Schlimmste ist, wenn die Frauen mit Fingern auf uns zeigen."