„König der Unterhosen“: US-Designer Calvin Klein wird 70
New York (dpa) - Mit gut gebauten Models, die laut Werbe-Slogan nichts anderes als seine Jeans trugen, prägte Calvin Klein das Lebensgefühl der 90er Jahre. Jetzt wird der distanzierte US-Designer 70 Jahre alt - und noch immer ziert sein Name auch Unterhosen in aller Welt.
Wie so vieles im Leben soll auch die riesengroße Erfolgsgeschichte von Calvin Klein mit einem winzig kleinen Zufall begonnen haben: Ein einflussreicher Mode-Einkäufer des schicken New Yorker Kaufhauses Bonwit Teller stieg der Legende nach Ende der 60er Jahre im falschen Stockwerk aus dem Aufzug und stolperte so zufällig ins Atelier des damaligen Jung-Designers. Gemeinsam mit einem Jugendfreund und wenigen tausend Dollar Startkapital hatte der im New Yorker Stadtteil Bronx aufgewachsene Klein kurz zuvor seine eigene Modefirma gegründet und deren Büro notdürftig in einer günstigen Hotelsuite eingemietet.
Der heute so typische Calvin-Klein-Stil - schlichte, gerade Schnitte, minimalistisch wenig Farbe - soll den Einkäufer auf der Stelle begeistert haben. Er ordert Ware im Wert von 50 000 Dollar (etwa 40 000 Euro) und lässt zahlreiche Schaufenster des Kaufhauses damit dekorieren - der Durchbruch für den damals knapp 30 Jahre alten Klein. Über die kommenden Jahrzehnte baut er seine Modemarke zum Imperium aus, entwirft zusätzlich Jeans, Unterwäsche, Uhren, Sonnenbrillen, Bademode, Parfüm, Haushaltstextilien und Schmuck. Sein Stil prägt das Lebensgefühl der 90er Jahre. Am Montag (19. November) feiert Klein, der sein Unternehmen bereits 2003 verkauft hat und seitdem als unnahbar-eisiger Modepapst in Rente gilt, seinen 70 Jahre Geburtstag.
Geboren wurde der Nachfahre ungarisch-jüdischer Einwanderer 1942 als Calvin Richard Klein im New Yorker Stadtteil Bronx - nicht weit von dem Ort, an dem nur drei Jahre zuvor sein Kollege Ralph Lauren geboren worden war. Beide gelten heute als die beiden bedeutendsten zeitgenössischen US-Designer. Schon als Kind entwirft Klein Kleider für die Puppen seiner Schwester. Den Abschluss macht er am renommierten Fashion Institute of Technology in Manhattan. Seine Mutter habe ihm Stil beigebracht, erzählte er später einmal in einem seiner seltenen Interviews mit dem britischen „Independent“: „Sie mochte auf unauffällige Art extravagante Kleidung. Anspruchsvoll. Nicht irgendetwas, das von der anderen Seite der Straße hinüberschreit.“
Dieses Leitbild wird den vielfach preisgekrönten Klein sein ganzes Designer-Leben lang begleiten. Seine Entwürfe sind elegant-unauffällig - mit der Werbung dafür aber provoziert er gerne. Die erst 15 Jahre alte Schauspielerin Brooke Shields räkelt sich für ihn nur mit hautengen Jeans bekleidet auf Plakaten. „Weißt du, was zwischen mich und meine Calvins kommt?“, steht daneben. „Nichts!“ Hunderttausende Paar Jeans verkaufen sich allein in den ersten Wochen nach Beginn der Kampagne. Die knabenhaft gebaute Kate Moss macht Klein zum Supermodel. Schauspieler Mark Wahlberg lässt er mit Waschbrettbauch und weißem Höschen posieren und macht so Feinripp mit einem Schlag wieder tragbar.
Kleins Design verwischt die Grenzen zwischen Mann und Frau. Sein legendär gewordenes Parfüm „CK One“ ist für beide Geschlechter entworfen, vorher undenkbar. Auch sein privates Leben spielt sich zwischen den Geschlechtern ab. Zwei Frauen heiratet Klein, von beiden lässt er sich nach wenigen Jahren wieder scheiden. 1967 wird seine einzige Tochter Marci geboren, heute eine erfolgreiche TV-Produzentin. Aber Klein macht das Familienleben nicht sesshaft, im Gegenteil. Er beginnt ein wildes Partyleben, mischt das berühmte „Studio 54“ auf, trinkt, nimmt Drogen und Valium. Auch zahlreiche Beziehungen zu Männern werden ihm nachgesagt. Nachdem seine Tochter kurzzeitig entführt wird, zieht sich Klein 1978 abrupt aus der Öffentlichkeit zurück. Bis heute kämpft er nach eigener Aussage mit Drogen und Alkohol, hat mehrere Entziehungskuren hinter sich.
Sein Mode-Imperium verkauft er 2003 für rund eine halbe Milliarde Dollar an den weltgrößten Hemdenhersteller Phillips-Van Heusen. Gut dotierte Beraterverträge sichern dem Kunstsammler und eingefleischten New Yorker weiter jährliche Millioneneinnahmen. Nur mitentscheiden darf er nicht mehr. „Manchmal wenn ich die Designs sehe, denke ich mir, das hätte ich anders gemacht, wenn ich noch dabei wäre - aber das bin ich eben nicht“, verriet er 2011 bei einem seltenen öffentlichen Auftritt in seiner Heimatstadt. „Wenn ich es nicht kontrollieren kann, warum soll ich mich dann darüber aufregen?“
Kleins Name ist zur Marke geworden und prangt noch heute auch auf Unterhosen überall auf der Welt - zum Leidwesen seiner Tochter. „Jedesmal wenn ich mit einem Mann ins Bett gehe, sehe ich die Unterwäsche meines Vaters“, sagte sie einmal in einem Interview. Klein habe daraufhin seinem Psychiater gesagt, dass er das nicht besonders witzig gefunden hätte, erzählte der Designer einmal. „Aber der sagte nur: "Entspann dich".“