Kriegsverbrecherprozess in Kiew Russischer Soldat räumt Tötung eines Zivilisten ein
In der Ukraine hat in Kiew der erste Kriegsverbrecherprozess gegen einen russischen Soldaten begonnen. Der 21-Jährige bekannte sich zu Beginn schuldig, einen Zivilisten erschossen zu haben.
Knapp drei Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine hat am Mittwoch in Kiew der erste Kriegsverbrecherprozess gegen einen russischen Soldaten begonnen. Der 21-Jährige bekannte sich zum Auftakt vor einem Bezirksgericht in der ukrainischen Hauptstadt schuldig, einen unbewaffneten Zivilisten erschossen zu haben. Moskau meldete derweil die Gefangennahme von fast 700 weiteren ukrainischen Soldaten aus dem belagerten Asow-Stahlwerk in Mariupol.
Schischimarin wird vorgeworfen, am 28. Februar im nordukrainischen Dorf Tschupachiwka aus einem gestohlenen Auto heraus einen unbewaffneten 62-Jährigen erschossen zu haben. Dem Soldaten aus dem sibirischen Irkutsk droht eine lebenslange Haftstrafe wegen Kriegsverbrechen und Mordes. Nach Angaben ukrainischer Behörden gab er die Tötung des Mannes zu.
Der junge Soldat mit dem kahlgeschorenen Kopf blickte während der Anklageverlesung zu Boden. Der 21-Jährige wollte den Angaben zufolge nach einem Angriff auf seinen Konvoi in der Nordukraine mit vier Kameraden in dem gestohlenen Auto fliehen.
Das Opfer war demnach mit seinem Fahrrad unweit seines Hauses in Tschupachiwka unterwegs. Der Staatsanwaltschaft zufolge schoss der russische Soldat auf Befehl eines seiner Kameraden mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf den Zivilisten, da dieser Zeuge des Auto-Diebstahls geworden war.
„Mir wurde befohlen zu schießen, ich habe einmal auf ihn geschossen. Er fiel hin, und wir sind weitergefahren“, hatte Schischimarin in einem Anfang Mai von den ukrainischen Behörden veröffentlichten Video erklärt. In dem Video sagte der 21-Jährige auch, er sei in die Ukraine gekommen, um „seine Mutter finanziell zu unterstützen“.
Der Kreml erklärte am Mittwoch, er verfüge über keine Informationen zu dem Fall. „Die Möglichkeiten der Unterstützung sind wegen des Fehlens einer diplomatischen Vertretung vor Ort ebenfalls sehr begrenzt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Schischimarins Anwalt Viktor Owsiannikow bezeichnete den Prozess als Herausforderung. „Dies ist der erste Fall in der Ukraine mit einer solchen Anklage. Es gibt keine einschlägige Rechtspraxis oder Urteile zu solchen Fällen“, sagte er.
Die Ukraine wirft der russischen Armee vor, seit Beginn der Invasion zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Wegen mutmaßlicher Völkerrechtsverbrechen ermittelt auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH).
Laut der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa gibt es in der Ukraine mehr als 11.000 laufende Fälle zu Kriegsverbrechen und bislang 40 Verdächtige. „Mit diesem ersten Prozess senden wir ein klares Signal, dass jeder Täter, jede Person, die die Begehung von Verbrechen in der Ukraine angeordnet oder unterstützt hat, sich nicht der Verantwortung entziehen kann“, erklärte sie auf Twitter.
Der Kreml meldete am Mittwoch derweil die Gefangennahme von fast 700 weiteren ukrainischen Soldaten aus dem belagerten Asow-Stahlwerk in Mariupol. In den vergangenen 24 Stunden hätten sich 694 Kämpfer ergeben, unter ihnen 29 Verletzte, teilte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit.
Insgesamt haben sich demnach seit Montag 959 ukrainische Soldaten auf dem Werksgelände in Mariupol ergeben. Kiew hofft auf einen Gefangenenaustausch mit Russland, Moskau hat sich bislang aber noch nicht dazu geäußert.
Die seit Anfang März von Moskaus Truppen belagerte Hafenstadt Mariupol dürfte damit sehr bald vollständig in russischer Hand sein. Für Russland wäre dies ein wichtiger strategischer Erfolg.
Die Verhandlungen über eine Beilegung des Krieges waren indes weiter festgefahren. Russland machte am Mittwoch die Ukraine für den Stillstand verantwortlich. Den ukrainischen Unterhändlern mangele es „völlig am Willen, diesen Prozess fortzusetzen“, sagte Kreml-Sprecher Peskow. Die Ukraine hatte am Dienstag erklärt, die Gespräche seien wegen der Haltung Russlands ausgesetzt worden.