Wirbel um Äußerungen Kubiki fordert Öffnung von Nord Stream 2 - doch was würde das bringen?
Macht die Ostseepipeline Nord Stream 2 auf, fordern hier und da deutsche Politiker – zuletzt FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Doch sind Transportkapazitäten das Problem? Ein Überblick.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki ist mit einer Forderung nach Öffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 zur Verbesserung der Gasversorgung in Deutschland auf scharfen Widerspruch gestoßen. Von führenden Liberalen und auch den Koalitionspartnern SPD und Grüne wurde der Vorstoß am Freitag deutlich zurückgewiesen. Auch Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner ging auf Distanz. Er halte den Vorschlag für „falsch und abwegig“, sagte eine Sprecherin seines Ministeriums in Berlin. Die Bundesregierung hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Inbetriebnahme der fertiggebauten Nord-Stream-2-Leitung ausgeschlossen. Doch könnte die Öffnung überhaupt etwas bewirken? Ein Überblick:
Aus Russland erreichen Deutschland derzeit nur knappe 20 Prozent der Gasmengen, die noch zu Beginn des Ukraine-Krieges geliefert wurden. Nach Darstellung der Bundesnetzagentur kamen am 17. August insgesamt 497 Gigawattstunden Gas an, am 1. März dieses Jahres waren es noch 2495. Die bestehenden Pipelines sind nicht ausgelastet.
Welche Pipelines können russisches Gas nach Deutschland bringen?
Es sind vor allem drei Röhrenverbindungen, die Gas aus russischen Fördergebieten nach Deutschland leiten:
- Nord Stream 1: Die wichtigste Verbindung für russisches Erdgas ist die 1224 Kilometer lange, Ende 2011 in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 1, die durch die Ostsee nach Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) führt. Aktuell kommen hier allerdings nur etwa 20 Prozent der Maximalleistung an. Seit Juni hat Russland die Gaslieferungen über diese Pipeline zurückgefahren und dies zunächst mit Wartungsarbeiten begründet. Streit gibt es inzwischen auch um eine fehlende Turbine, die nach Aussage des Betreibers Gazprom wichtig ist, um den nötigen Druck zum Durchpumpen des Gases aufzubauen. Die Turbine war in Kanada gewartet worden, steht aber seit Mitte Juli in Deutschland.
- Jamal: Die mehr als 4000 Kilometer lange Pipeline, die jährlich bis zu 33 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren könnte, verläuft von den Jamal-Gasfeldern in Sibirien durch Russland, Belarus und Polen bis nach Mallnow in Brandenburg. Dort kommt laut Bundesnetzagentur seit einiger Zeit aber gar kein Gas aus dem Osten mehr an. Stattdessen verlaufe der Gasfluss hier seit Jahresanfang überwiegend von Deutschland nach Polen, teilt die Agentur mit.
- Transgas: Das über die Ukraine, die Slowakei und Tschechien verlaufende Leitungssystem hat seinen deutschen Anknüpfungspunkt im bayrischen Waidhaus. Dort könnten nach Angaben aus dem Bundeswirtschaftsministerium bis zu 120 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr durchgeleitet werden. Die Menge ist zuletzt aber ebenfalls deutlich gesunken und entsprach schon vor dem Ukraine-Krieg nur einem Bruchteil der in Lubmin ankommenden Menge. Hintergrund ist der seit Jahren andauernde Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine, der auch den Transit über diese Pipeline deutlich eingeschränkt hatte. Angesichts der Kriegshandlungen seit Februar hat die Ukraine die Durchleitung russischen Gases weiter eingeschränkt.
Welche zusätzlichen Kapazitäten sollten mit Nord Stream 2 geschaffen werden?
Die weitgehend fertig gestellte Gasleitung verläuft parallel zu Nord Stream 1 und könnte den Plänen zufolge noch einmal so viel Gas transportieren – also zusätzlich etwa 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Ihr Bau folgte laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eher geostrategischen als betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Berlin hatte das Genehmigungsverfahren für die Pipeline kurz vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine auf Eis gelegt.
Ist das ankommende Gas ausschließlich für den deutschen Markt bestimmt?
Deutschland ist aufgrund seiner geografischen Lage ein Gastransitland. Nach Angaben der Bundesnetzagentur werden rund 45 Prozent des Gases, das in Deutschland ankommt, in Nachbarländer weitergeleitet. Diese Gasexporte können nicht beliebig reduziert werden, damit auch die Versorgung der schützenswerten Kunden bei den EU-Nachbarn gewährleistet ist. Laut EU-Verordnung müssen sich alle europäischen Länder bei Versorgungsengpässen solidarisch verhalten.