Bundeskanzler Ukraine bis Cum-Ex-Skandal: Scholz stellt sich Journalisten

Berlin · Sommerliche Auftritte in der Bundespressekonferenz haben Tradition für Kanzler. Merkel nahm sich jedes Jahr Zeit für die Hauptstadt-Journalisten. Scholz setzt das fort - Themen gibt es viele.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat seit der Übernahme der Regierungsverantwortung Ende vergangenen Jahres viele Premieren erlebt - nun kommt eine weitere hinzu: Erstmals stellt sich der SPD-Politiker heute als Kanzler in einer Sommer-Pressekonferenz den Fragen der Hauptstadt-Journalisten. Er setzt damit die Gepflogenheiten seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) fort, die jedes Jahr direkt vor oder nach ihrem Sommerurlaub in die Bundespressekonferenz ging.

Traditionell werden dort Fragen zu zahlreichen Bereichen der Innen- und Außenpolitik gestellt. Ein beherrschendes Thema dürfte in diesem Jahr der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sein.

Krieg in der Ukraine und Waffenlieferungen

Die Debatte über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine hat inzwischen zwar etwas an Schärfe und Lautstärke verloren, ist aber schon deshalb nicht beendet, weil die Wünsche in Kiew nach wie vor groß sind.

Scholz kann darauf verweisen, dass bereits einiges in der Ukraine angekommen ist - beispielsweise zehn Panzerhaubitzen 2000, fünf Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer samt Munition sowie drei Mehrfachraketenwerfer Mars II. Diese Zahlen hatte Ende Juli Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) genannt. Allerdings ging auch einiges schief, etwa der geplante Panzer-Ringtausch mit Polen.

Energiekrise

Wie kommt Deutschland energiemäßig durch den Winter angesichts der stark gedrosselten Gaslieferungen aus Russland? Diese Frage stellen sich neben den Bürgern vor allem die Unternehmen hierzulande. Können andere Gasproduzenten einspringen? Und sollte nicht doch der zum Jahresende geplante endgültige Ausstieg aus der Atomenergie aufgeschoben werden?

„Spätestens nach dem geplatzten Katar-Deal hätte Olaf Scholz die Gas-Beschaffung zur Chefsache machen müssen“, wetterte CSU-Generalsekretär Martin Huber beim Nachrichtenportal „The Pioneer“. „Stattdessen schaut er tatenlos zu, wie Deutschland das Gas ausgeht, und spricht auch kein Machtwort zur Verlängerung der Kernkraft.“

Hohe Inflation

Selbst wenn genügend Energie für alle Haushalte und für die Industrie kommen sollte - sie wird in jedem Fall teuer sein. Vermutlich noch teurer als heute schon. Dazu kommen rasante Preissteigerungen in anderen Bereichen, vor allem bei Lebensmitteln. Reichen angesichts dieser Entwicklung die bisher von der Ampel-Koalition aufgelegten Entlastungspakete von zusammen rund 30 Milliarden Euro aus? Oder muss bereits im Herbst ein weiteres beschlossen werden? Und wer sollte davon profitieren?

Diese Fragen dürften Scholz ebenso gestellt werden wie die nach seiner Bewertung der soeben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten Pläne zu Steuerentlastungen für die Bürger von rund zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit empfindet der Kanzler dafür „grundsätzliches Wohlwollen“. Etwas genauer werden es die Journalistinnen und Journalisten dann doch wissen wollen.

Corona-Pandemie

Zwar sind die Corona-Infektionszahlen nach wie vor hoch - für den Sommer sogar sehr hoch. Dennoch wollen viele Menschen in Deutschland im Moment nichts von der Pandemie wissen. Zuletzt hat vor allem die FDP die Koalition in dieser Frage getrieben und durchgesetzt, dass viele Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen gestrichen wurden.

Nun haben Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) gemeinsam ein Konzept für den Fall vorgelegt, dass aus der schon heftigen Corona-Sommerwelle eine noch viel größere Herbst- und Winterwelle werden sollte. Wie steht eigentlich der Kanzler zu diesen Plänen, die vor allem auf das verstärkte Tragen von Masken setzen?

Hamburger Steueraffäre

Alle diese Themen sind in die Zukunft gerichtet - doch auch die Vergangenheit dürfte den Kanzler einholen. Es geht um seine Rolle als Hamburger Regierungschef in der Steueraffäre um die Warburg Bank, den sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Nach Treffen 2016 und 2017 mit den Bank-Gesellschaftern Christian Olearius und Max Warburg im Amtszimmer von Scholz hatte die Finanzverwaltung eine Steuerrückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank verjähren lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

Für Scholz könnte der Auftritt in der Bundespressekonferenz ein Vorgeschmack auf den 19. August werden, wenn er erneut als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft aussagen muss. Auch Journalisten verstehen sich auf Kreuzverhöre.

SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich optimistisch gezeigt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz den Verdacht der politischen Einflussnahme auf Steuerentscheidungen zu der in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Warburg Bank ausräumen kann. „Ich bin mir sicher, es hat keinen politischen Einfluss gegeben, und das wird auch die Aussage des Bundeskanzlers vor dem Untersuchungsausschuss zeigen“, sagte Klingbeil am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Erwartungen an Scholz

Schon vor seiner ersten Sommer-Pressekonferenz sieht sich der Kanzler mit vielen Erwartungen konfrontiert. So forderte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz eine neue Strategie bei Entlastungsprogrammen gegen die hohe Inflation. Vom bisherigen Vorgehen hält er wenig.

„Es wäre besser gewesen, wirklich bedürftigen Haushalten etwas mehr zukommen zu lassen, statt Geld mit der Gießkanne zu verteilen. Das ist aus meiner Sicht der völlig falsche Ansatz. Das belastet den Bundeshaushalt und es kommt nicht genug bei denen an, die wirklich Unterstützung bräuchten“, sagte Merz der Deutschen Presse-Agentur. Künftige Hilfen müssten außer Hartz IV- und Wohngeldbeziehern auch Haushalten helfen, „die mit ihrem Einkommen ganz knapp über diesen Transferleistungen liegen“. Merz nannte sie „Grenzhaushalte“.

Der Vorstand der Organisation Campact, Christoph Bautz, sieht Deutschland gleich mit zwei Großkrisen konfrontiert - der Energiepreis- und der Klimakrise. „Debatten laufen zu lassen und ein bisschen zu moderieren, reicht da nicht für einen Kanzler. Von Olaf Scholz erwarten wir endlich einen klaren Kompass“, sagte Bautz der dpa.

„Statt mit Fracking, Atom- und Kohlekraft auf die Rezepte von vorgestern zu setzen, muss er jetzt einen smarten Booster für die Erneuerbaren und die Wärmewende auf den Weg bringen.“ Die Schwachen in der Gesellschaft müsse er gezielt entlasten und gleichzeitig diejenigen, die sich an der Krise bereichern, in die Pflicht nehmen. „Das wäre die Führung, die er im Wahlkampf versprochen hat.“

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(dpa)