Besuch in Wuppertal Ministerin Schulze: „Das Circular Valley ist sehr klug aufgesetzt“
WUPPERTAL · Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für Entwicklungshilfe, besucht Wuppertals Ideenschmiede für Kreislaufwirtschaft. Und findet erstaunlich viele Parallelen zu ihren eigenen Ämtern.
Svenja Schulze war beeindruckt. Schulze war nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin, dann wurde die SPD-Politikerin Bundesumweltministerin, jetzt ist sie Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Und in allen drei Positionen hätte sie bei genauem Hinsehen jeden Grund gehabt, schnell nach Wuppertal zu kommen und sich im sogenannten Accelerator auf dem Vorwerk-Gelände die Arbeit des „Circular Valley“ anzuschauen. Am Montag hat sie das getan und erkannt, dass an jenem Standort, an dem per Kreislaufwirtschaft die Abfallentsorgung mit Start-ups aus aller Welt neu gedacht wird, alle ihre Bereiche berührt sind: Wissenschaft, Umwelt und Entwicklungspolitik.
Dementsprechend interessiert nahm Schulze die Gründer-Geschichten der dritten Kohorte im 2021 gegründeten Circular Valley auf: etwa jene von „Nyungu Afrika“ aus Kenia, das Menstruationsprodukte wie Binden aus Grünabfall bei der Ananasproduktion herstellt. Ziel: mehr afrikanischen Frauen die eigentlich teuren Produkte verfügbar zu machen – und das mit nachhaltigem Material. Das, sagte Gründerin Mary Nyaruai Muriithi, würde vielen Frauen helfen.
Martin Tumusine aus Uganda hat derweil eine elektronische Plattform geschaffen, mit der Haushalte mit der Müllentsorgung in Uganda verbunden werden. Auf diese Weise wird dort sehr viel gezielter als bislang Müll eingesammelt. Und Alim Al Rajii, ein junger Unternehmer aus Bangladesh, möchte mit elektronischem Schrott von recycelten Laptops etwa auch aus Deutschland auf nachhaltigere Weise Batterien für elektronisch betriebene Kleintransporter (in Indien: Tuc-Tucs) produzieren. „Hier ist die Lösung für alle unsere Probleme“, sagte Al Rajii in seiner Präsentation selbstbewusst – und von der deutschen Bundesministerin erhielt er Rückhalt: „Wir haben die Batterieforschung etwa in meiner Heimat Münster, dort wird nach grünen Lösungen für Batterien geforscht. Aber das dauert. Und bis dahin sind solche kleinen Lösungen für viele kleinere Unternehmen Gold wert.“
So läuft die Arbeit in Wuppertal: Von hier aus soll geforscht und ausgetauscht werden, junge Gründer setzen für drei Monate ihre Arbeit von Wuppertal aus fort und versuchen, Kontakte zu Unternehmen in NRW zu gewinnen, ihr Wissen zu mehren oder zu verkaufen. „Das Silicon Valley ist vor 50 Jahren groß geworden, weil sich hier junge Start-ups ausgetauscht haben“, zeigt Circular-Valley-Gründer Carsten Gerhardt die Vision auf, mit der er im vergangenen Jahr gestartet ist. Ähnliches soll nun in Sachen Kreislaufwirtschaft mit dem Zentrum in Wuppertal entstehen: Es ist bereits die dritte Gruppe von Gründern, die die Hilfe von Circular Valley bei der Suche nach Partnern, Kapital und Kontakten nutzen. Die erste Gruppe begann ihre Arbeit im Juni 2021 noch virtuell, die zweite Gruppe im vergangenen Winter in Wuppertal. 31 Start-ups sind es diesmal. Insgesamt 477 Jungunternehmen hatten sich beworben. Der Markt ist riesig. Und das Thema steht mehr denn je im Zentrum.
Schulze weiß davon zu berichten. Auf jede der elf Ideen, die ihr repräsentiert werden, hat sie Anmerkungen oder neue Fragen. „Seit 1970 hat sich der Recoursenverbrauch verdreifacht“, sagte Bundesministerin Schulze im Gespräch mit dieser Zeitung am Rande des Termins. Das Thema Kreislaufwirtschaft sei zwar schon länger auf der Agenda, „aber es so konsistent zusammenzuführen, mit Wissenschafts- und Wirtschaftsseite und vor allem diesen jungen Start-ups mit all ihren Ideen, das ist eine Idee aus Wuppertal“, sagte Schulze. „Und das ist bewundernswert, was hier passiert, einfach toll.“ Schulze sagt dem Standort eine gute Zukunft voraus: „Mit dem Know-how, was hier ist, ist das natürlich vielversprechend. Das hier ist sehr klug aufgesetzt, und deswegen glaube, ich, dass das gute Chancen hat.“ Dass die jungen Gründer von der Politikerin auch wissen wollen, wie Politik in ihren Ländern denn für mehr Nachhaltigkeit sensibilisiert werden könne, bringt sie nur kurz ins Schwitzen. „Wenn mir Politiker anderer Länder sagen, für die Unternehmen sei es zu teuer, Müll zu sammeln, sage ich ihnen immer: Es muss zu teuer sein, Müll nicht zu sammeln.“ Dieser Druck helfe, das Problem weltumspannend voranzutreiben.