Küchen-Popstar Jamie Oliver: Bin kein guter Geschäftsmann
London (dpa) - Der britische Starkoch Jamie Oliver (39) weiß, wie er sich verkaufen kann. Sollte man angesichts des kommerziellen Erfolgs seiner Fernsehshows, Restaurants und Kochbücher meinen.
Mit seiner smarten Art und der Leidenschaft fürs Kochen hat der Brite ein Imperium erschaffen. Trotzdem behauptet der - inzwischen nicht mehr unangefochtene - Popstar der Kochwelt: „Ich bin kein guter Geschäftsmann, ganz im Gegenteil. Dafür beschäftige ich Leute, die sich damit auskennen.“ Am 31. Oktober erscheint sein neues Kochbuch „Jamies Wohlfühlküche“ auf Deutsch.
Olivers Firmensitz im trendigen Londoner Stadtteil Shoreditch ist mit Holzmöbeln und weichen Ledersofas eingerichtet. An den Wänden hängt moderne Kunst, in einer Ecke ist eine große Küche. Wären da nicht die Mitarbeiter, sähe es aus wie in einem Jamie-Oliver-Restaurant. Der Starkoch selbst sitzt in Jeans und T-Shirt an einem Buchetisch. Er will über sein Buch sprechen, sein 16. mittlerweile. „Essen zum Wohlfühlen ist etwas sehr Emotionales und Subjektives“, sagt er.
Deswegen habe er seine Fans über Instagram gefragt, was ihr liebstes Wohlfühlgericht sei - und innerhalb eines Tages über 10 000 Antworten bekommen. „Die Rezepte mit den meisten Stimmen aus aller Welt kamen ins Buch“ - leicht abgewandelt, erzählt Oliver. „Manche kannte ich vorher gar nicht.“ Von den Covern der Kochbücher, die neben ihm liegen, strahlt dem Betrachter sein Lächeln entgegen.
Mit der Marke „Jamie Oliver“ häufte der Goldjunge der Kochwelt Millionen an, seit er 1997 zufällig in einer BBC-Dokumentation entdeckt wurde. In dem Film über das Nobelrestaurant, in dem er damals arbeitete, tauchte er nur auf, weil er für einen kranken Kollegen eingesprungen war. „Ich wollte eigentlich gar nicht ins Fernsehen. Doch als die Dokumentation rauskam, war ich plötzlich in allen Szenen im Hintergrund zu sehen.“ So wurde Oliver mit 23 Jahren schlagartig berühmt. „Plötzlich fand ich mich bei einer Autogrammstunde wieder, umringt von 2000 Leuten, schreienden Mädchen“, erzählt er heute. „Die Polizei musste gerufen werden, denn die Leute hätten sich fast zerquetscht.“
Weil er sehr schnell sehr reich wurde, habe er viel lernen müssen. Sein erstes großes Projekt, das Restaurant Fifteen, in dem er sozial benachteiligten Jugendlichen das Kochen beibrachte, habe ihn fast in die Pleite getrieben. „Ich war naiv, altklug und hatte viel Geld. Diese drei Dinge zusammen sind sehr gefährlich.“ Heute hat Oliver mehrere Restaurants, auch in Deutschland soll es bald eins geben. Seine Fernsehsendungen laufen in mehr als 100 Ländern. Daneben setzt sich der 39-Jährige für gesundes Schulessen ein. „Ich glaube nicht, dass Profit-Besessenheit auf lange Sicht bestehen kann. Viel wichtiger ist es mir, Herz, Seele und Kultur beizubehalten“, sagt der Starkoch. Auf der im Mai veröffentlichten Liste der reichsten Briten liegen er und seine Frau mit 240 Millionen Pfund Vermögen auf Platz 396.
Allerdings geriet Oliver in letzter Zeit mehrfach in die Kritik: So musste eine von ihm betriebene Nobel-Metzgerei in London wegen drastischer Hygienemängel vorrübergehend schließen. In die Nesseln setzte er sich mit Äußerungen über Armut und Essen. Oliver hatte die These angezweifelt, dass Armut in westlichen Gesellschaften dazu führe, dass Menschen nicht mehr gesund äßen. Die Menschen ernährten sich von Pommes Frites, kauften aber gleichzeitig riesige Fernsehschirme. Die Organisation Child Poverty Action Group widersprach ihm heftig.
Und Konkurrenz gibt es auch oder gerade für Star-Köche: Gerade macht in London ein neuer Star-Koch Schlagzeilen. Der Israeli Yotam Ottolenghi wurde von einigen Medien schon als „Nachfolger von Jamie Oliver“ ausgerufen. Oliver lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern - sie heißen Poppy Honey Rosie, Daisy Boo Pamela, Petal Blossom Rainbow und Buddy Bear Maurice - in London. Aufgewachsen ist er im benachbarten Essex. In der Kneipe seiner Eltern lernte er kochen. „Meine Kindheit im Pub hat mich zu dem gemacht, was ich bin. Als kleiner Junge habe ich mich gerne neben die Kunden gesetzt und mich mit ihnen unterhalten.“
Auch heute redet Jamie Oliver noch gerne - über seine Familie, andere Kulturen und vor allem über Essen. Seine lässige Art lieben seine Fans mindestens genauso sehr wie seine Kochkünste. Der Brite pflegt das Understatement: „Na ja, ich glaube, ich kann ganz gut kochen.“