Latino-Flair Las Palmas - Versuchslabor der spanischen Eroberer
Las Palmas (dpa) - Es sind Zeugnisse der spanischen Kolonialgeschichte diesseits und jenseits des Atlantiks: Ein kanarischer Drachenbaum und eine südamerikanische Araukarie stehen auf ein- und demselben Platz in Las Palmas auf Gran Canaria.
Auch die steingepflasterten Gassen in Vegueta, dem historischen Viertel der Inselhauptstadt mit den eleganten herrschaftlichen Häusern, erinnern so manchen Urlauber eher an die Karibik oder Lateinamerika. Nirgendwo anders in Spanien herrscht so viel Latino-Flair wie auf den Kanaren.
Das hat einen guten Grund. Von Gran Canaria aus begann Christoph Kolumbus mit Unterstützung des Königshauses von Kastilien im 15. Jahrhundert den spanischen Eroberungszug. Er sollte mit den Jahrzehnten nach und nach den amerikanischen Kontinent von Kalifornien bis Feuerland erreichen und bedeutete nicht zuletzt Versklavung und Tod für unzählige Ureinwohner.
Die Inselgruppe vor Afrikas Westküste, vor allem aber Gran Canaria als erste Siedlung der Spanier im Atlantik, diente den Eroberern als kleines Versuchslabor für die große „Conquista“. „Die Spanier hatten hier mit genau denselben Phänomenen zu tun wie später in Amerika: Ureinwohner (die sogenannten Guanchen), Eroberung, eine sich mischende Gesellschaft“, erklärt Elena Acosta, Direktorin des Museums Casa de Colón, dem Kolumbus-Museum.
1478 begann die Eroberung dieser drittgrößten der insgesamt sieben Inseln. 14 Jahre später startete Kolumbus von dort seine große Unternehmung, den Seeweg nach Indien zu finden. Dabei landete er zuerst auf den Bahamas und danach auf der Insel Hispaniola, die sich heute in Haiti und die Dominikanische Republik teilen.
Im Verlauf der Jahrhunderte exportierten die Spanier politische und auch architektonische Konzepte nach Lateinamerika, die sie zuerst auf den Kanaren erprobten. Der Platz Santa Ana im Zentrum von Las Palmas ist dafür das beste Beispiel: „Seit seinem Bau konzentrierte er die religiöse und zivile Macht an einem Ort: Die Kathedrale, das Rathaus, das Bistum“, heißt es in dem örtlichen Amt für Tourismus.
Damit unterscheidet sich der Platz („Plaza“ auf spanisch) grundlegend von anderen größeren auf der spanischen Halbinsel, die Jahrhunderte zuvor entstanden waren. Und er stand Modell für Plätze in der Neuen Welt. So weisen die Plaza de las Armas in Perus Hauptstadt Lima und der Zócalo in Mexiko-Stadt dasselbe Konzept auf. Wann genau der Bau jeweils begann, ist schwer zu sagen: Mit der Errichtung der Kathedrale am Platz Santa Ana wurde 1497 begonnen, erste Pläne für den Zócalo in Mexiko-Stadt gab es 1524, Lima wurde 1535 gegründet.
Das Kolumbus-Museum zu Ehren des berühmten Seefahrers befindet sich in Las Palmas stilgerecht in Gemäuern aus der Epoche. Teile des Gebäudes gehörten seinerzeit zum Haus de Gouverneurs, in dem sich Kolumbus aller Wahrscheinlichkeit nach im geschichtsträchtigen Jahr 1492 während seines mehrwöchigen Aufenthalts auf den Kanaren einquartierte, bevor er dann über den Atlantik schiffte und Geschichte schrieb.
Insgesamt machte der Mann aus Genua auf drei seiner vier Reisen nach Amerika auf Gran Canaria Halt. Schon beim zweiten Aufenthalt 1493 nahm er eine Pflanze mit, die bis heute die Wirtschaft in Lateinamerika, aber auch auf den Kanaren mitprägt: das Zuckerrohr. „Das war wie das Gold des 15. Jahrhunderts“, sagt Museumsdirektorin Acosta. Allerdings stammt es nicht originär von den Kanaren. Im Jahr 1483, nach der vollständigen Unterdrückung der Ureinwohner, ließ der damalige Gouverneur von Gran Canaria die Pflanze von der portugiesischen Insel Madeira holen.
Über die Kanaren fanden ferner die Banane, die Aloe, der Hund oder das Schaf den Weg in die Neue Welt. Hingegen brachten die Eroberer den Mais und die Kartoffel aus Amerika über den Atlantik mit, von dort gelangten sie dann später nach Europa. Auch vor Menschen machten diese „Exportgeschäfte“ nicht Halt. So mussten etwa Familien von den Kanaren den Konquistadoren folgen und mithelfen, die Neue Welt zu besiedeln. Menschen von den Kanaren waren etwa maßgeblich an der Gründung von Montevideo beteiligt, der heutigen Hauptstadt Uruguays.
Zudem räumte die spanische Krone Händlern auf den Inseln Privilegien im Handel mit Amerika ein, wie unter anderem Manuel de Paz von der Universität La Laguna auf Teneriffa schreibt. Der Austausch zwischen beiden Welten ist bis heute auch in der Sprache spürbar: Der Akzent auf den Kanarischen Inseln klingt eher nach Venezuela oder Kuba als nach Spanien.