Lenin in seinem Mausoleoum: Touristenattraktion
Auf Moskaus Rotem Platz sind die Doppelgänger von historischen Figuren ein Renner. Selbst ein Revolutionsführer posiert gegen Bares.
Moskau. Lenin braucht eine Pause. Seit mehr als fünf Stunden sitzt der Führer der Weltrevolution auf dem Roten Platz und bedient die Kundschaft. 96 Jahre nach der Oktoberrevolution ist das kommunistische Idol zu einer Attraktion für Touristen in Moskau geworden. Die internationalen Brigaden des Tourismus sind mit Smartphones auf der Jagd nach Bildern für Twitter und Co.. Für 200 Rubel, knapp fünf Euro, gibt es einen Schnappschuss mit dem Revolutionsführer.
Irgendwann ist das selbst dem Führer der Arbeiterklasse zu viel. Mühsam erhebt sich Lenin von seinem Klappstuhl, schlurft in eine Straßenecke und nimmt mehrere Schlucke aus einer in eine Zeitung eingeschlagenen Wodka-Flasche. Wladimir Iljitsch Lenin heißt eigentlich Alexander Sologub. Er ist nicht das einzige Double, das sich auf dem Roten Platz anbietet.
Stalin mit Pfeife steht ein paar Meter weiter und grüßt Kinder. Daneben wankt ein Abbild von Zar Nikolaus II. auf einen zweiten Lenin zu. „Das sind diese Typen, wegen denen es vor ein paar Jahren Probleme gab“, erzählt Alexander. Damals hatte der betrunkene Zar zusammen mit Lenin Ärger mit der Polizei — angeblich wegen Pöbelei.
Der Rote Platz bietet ein skurriles Panoptikum fast aller popkultureller Phänomene der Moderne. Nicht nur Lenin, Stalin und der Zar buhlen um die Fotoapparate der Touristen. Auch das Säbelzahn-Eichhörnchen aus dem Film „Ice Age“ und Disney-Figuren bieten sich feil. „Manchmal ist auch Putin da“, sagt Lenin-Double Alexander über einen Kollegen. Nur Karl Marx habe er länger nicht gesehen. „Es wird ihm doch nichts zugestoßen sein“, sagt er.
Es sind menschliche Schicksale, die hinter den Kostümen stecken. Alexander erzählt, er habe sich als Söldner im Kosovo-Krieg verdingt. Später habe er auf den Großbaustellen in Athen gearbeitet, als die Gebäude für die Olympischen Spiele 2004 entstanden. Dort hätten ihm seine Kollegen auch zum ersten Mal gesagt, er sehe einem Geschichts-Typen so ähnlich. „Hitler? Nein, der andere! Lenin!“
Manchmal wird Alexander beschimpft. Von Menschen, die unter der Sowjetmacht gelitten haben — aber auch von alten Kadern, die in ihm einen unrühmlichen Clown sehen. Ein paar Meter weiter ruht der echte Lenin. Einbalsamiert seit seinem Tod 1924 und in einem Mausoleum zur Schau gestellt.
Alexander und Sascha haben Kundschaft. Maria will ihre Tochter mit den Geistesgrößen aufnehmen. „Das ist besser als im Mausoleum“, meint sie. Dort dürfe man ja nicht knipsen, und dieser Lenin hier sei fast noch besser als das Original.