Letzter Kampf um Garzweiler
Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit dem Braunkohletagebau. Die Kläger sehen ihre Grundrechte verletzt.
Aachen. Stefan Pütz ist einer, der sich nicht vertreiben lassen will. Nicht vom Braunkohletagebau Garzweiler, nicht von dem Weltkonzern RWE. Die Bagger rücken näher. Viele haben den Ort schon verlassen, niemand will in einem sterbenden Dorf übrigbleiben. Pütz hat das alles mal als „bitteres Unrecht“ bezeichnet — als er noch Interviews gab. Er blieb und klagte, bis zum Bundesverfassungsgericht (1 BvR 3139/08). Er beruft sich auf das Grundrecht, seinen Wohnsitz frei wählen zu dürfen. Zur Verhandlung am Dienstag will er mit seiner Frau nach Karlsruhe kommen. Pütz lebt im rheinischen Revier. Der Tagebau Garzweiler erstreckt sich laut Planung über 48 Quadratkilometer.
Das Grundrecht auf Eigentum sieht auch der Bund für Umwelt und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen (BUND/NRW) verletzt. Die Umweltschützer hatten eine Obstbaumwiese im Tagebaufeld. Sie wurden enteignet. Mittlerweile hat der Krater die Wiese längst geschluckt. Der BUND hat ebenfalls Beschwerde gegen den Tagebau eingelegt (1 BvR 3386/08) und wertet die mündliche Verhandlung als gutes Zeichen.
„Es geht darum festzustellen, dass die Vorschriften des Bundesberggesetzes verfassungswidrig sind und nicht anerkannt werden durften“, sagt der Anwalt beider Kläger, Dirk Teßmer. Ohne Enteignungsrecht würde der Tagebau „früher oder später“ stoppen müssen.
RWE sieht das Bergrecht auf der Höhe der Zeit. Vor allem in Hinblick auf Beteiligung der Öffentlichkeit, Transparenz und Rechtsschutz sei es kontinuierlich angepasst worden und entspreche nationalem und europäischem Recht.
Es ist nicht so, dass die Menschen im rheinischen Revier gebannt nach Karlsruhe schauen. Sie sind auf den kommenden Tagebau eingestellt: „Keiner geht gerne. Aber die meisten haben sich mit der Situation abgefunden“, sagt der Vorsitzende einer verbliebenen Bürgerinitiative, Franz-Josef Dederichs.
Garzweiler stand in den 90er Jahren bundesweit in den Schlagzeilen. Höhepunkt im Streit um den Tagebau waren 1995 die schweren Konflikte bei den Koalitionsverhandlungen von Rot-Grün. Das war auch die Hoch-Zeit des Widerstands, von dem heute nicht mehr viel übriggeblieben ist. Geblieben ist der Frust, und der ist unüberhörbar.