Leverkusener Rheinbrücke: Der Herr über die „Schrottbrücke“
Bauaufseher Hans-Dieter Jungmann mag seinen Leverkusener Patienten.
Leverkusen. Ungefähr in der Mitte des Rheins kommt das Geständnis. Da hört der Techniker Hans-Dieter Jungmann auf, über Technik zu reden, und spricht stattdessen über Gefühle. „Ich mag sie. Ich bin ihr verbunden.“ Er meint eine Brücke. Die Leverkusener Rheinbrücke.
Jungmann ist der Leiter der Bauaufsicht. Er steht auf einer beweglichen Plattform, die unter der Autobahnbrücke über den Rhein gleitet. Krähen segeln über den träge dahinfließenden Strom. Aber Jungmann hat nur Augen für die Brücke. „Überall, wo’s grau ist, haben wir schon Risse ausgebessert“, sagt er. Es gibt ziemlich viele graue Stellen. Die Leverkusener Rheinbrücke ist die meistgeschmähte Brücke Deutschlands. „Schrottbrücke“ ist eine oft verwendete Bezeichnung. Abbruchreif sei sie. Der Alptraum aller Spediteure.
Jungmann wird etwas unruhig, wenn man seine Brücke beleidigt. „Da müssen wir aufpassen“, sagt er. „Ganz großes Missverständnis!“ Die Brücke sei ein grundsolides Bauwerk. Aber 50 Jahre alt. Und irgendwann sei eben Schluss.
Der große Mann hebt seine tellergroßen Hände, um etwas zu zeigen: „Stellen Sie sich einen Löffel vor!“, sagt er. „Als Kind haben wir den gern gebogen. Immer weiter nach unten. Bis er gebrochen ist. So ist es auch mit der Brücke.“ Jungmann (57) ist 2008 gekommen, um die Brücke für die nächsten 30 Jahre zu sanieren. Doch dann stellte sich heraus: Das Ding ist durch. Materialermüdung. Jetzt ist es sein Ziel, die Brücke noch sechs Jahre zu erhalten, bis die neue fertig ist. Rechts und links braust der Verkehr — immer mal auch ein Sattelschlepper, obwohl die Brücke für alle Fahrzeuge über dreieinhalb Tonnen gesperrt ist. Die Laster und Busse geben ihr den Rest.
Jungmann zwängt sich in eine der acht Seilkammern, dem „Rückenmark der Brücke“. Hier enden die Seile, an denen sie aufgehängt ist. „Wenn das versagen würde, müssten wir eine Komplettsperrung vornehmen.“ Jungmann leuchtet mit seiner Taschenlampe über die schwarzen Wände. „Wo Sie hier auch schauen — Risse!“ Daneben sind handschriftliche Notizen angebracht worden. „Bau-Tagebücher nennen wir das.“ Krankenakte könnte man auch sagen.