Loriot: Der nachdenkliche Meister des Unfugs
Er hielt den angeblich so humorlosen Deutschen gern den Spiegel vor — und ging dabei mit preußischer Disziplin zur Sache.
Ammerland/ Berlin. Der Ernst des Lebens ist heiter wie die Kunst — von Loriot. Denn Komik hatte für ihn mit Irrtum im Alltag zu tun oder mit grotesken Missverständnissen, womit Loriot so etwas wie ein „Karl Valentin des Cartoons und des deutschen Fernsehens“ war — jedenfalls zählte er zu Deutschlands besten Humoristen.
Der am Starnberger See und in Berlin lebende Preuße Vicco von Bülow wollte beweisen, dass die Deutschen wie andere Nationen auch Humor haben und wurde damit prompt einer der populärsten Deutschen.
Noch 2007 landete Loriot in der ZDF-Sendung „Unsere Besten — Komiker & Co“ auf dem ersten Platz. Am Montagabend starb Loriot 87-jährig in Ammerland am Starnberger See an Altersschwäche, wie der Diogenes Verlag am Dienstag mitteilte.
Vicco von Bülow, am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geboren, Spross einer Offiziersfamilie, war von Hause aus ein pedantischer Bildungsbürger, der sich über seine eigene Gesellschaftsschicht lustig machen konnte — nicht gerade eine typisch deutsche Eigenschaft. Dabei hatte er allerdings auch gern alles unter Kontrolle. So glich sich das wieder aus.
Loriot schrieb legendäre Männer-Frauen-Dialoge und schuf den vielleicht bekanntesten Rentner und Lottomillionär der Fernsehgeschichte — Erwin Lindemann (gespielt von Heinz Meier), der „seit 66 Jahren“ Rentner ist und mit seiner Tochter und dem Papst in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen will. Auch der Streit ums hartgekochte Frühstücksei mit dem Schlusssatz „Morgen bringe ich sie um!“ ist TV-Kult geworden. Von „Wum und Wendelin“ und Weihnachten bei Hoppenstedts ganz zu schweigen.
In die Fernsehgeschichte ist längst auch das sagenhafte Badewannen-Duell um eine Gummi-Ente mit den beiden knollennasigen Akademikern Dr. Klöbner und Müller-Lüdenscheidt eingegangen. Und Sprüche aus Loriot-Sketchen wie „Hildegard, warum sagen Sie denn nichts?“ oder „Wo laufen sie denn?“, „Früher war mehr Lametta“ und das knappe und doch alles umfassende „Ach was!?“ sind längst zu geflügelten Worten in der deutschen Umgangssprache geworden.
„Es wird in keinem meiner Filme irgendwo gelacht, nirgendwo. Lachen sollen die Zuschauer“, sagte Loriot einmal. Über das Lachen bei heutigen Comedians — das Wort kam dem „Grandseigneur des Unfugs“ oder „Grafen der Heiterkeit“ nur schwer über die Lippen — äußerte sich Loriot in gewohnter Vornehmheit, wenn er, wie es in dem Interview hieß, „nach den richtigen Worten sucht beim Beschreiben des Phänomens Mario Barth“.
Trotz aller Popularität hat es Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow auch immer gewurmt, dass die Deutschen Humoristen auf ihrer Werteskala ziemlich weit unten ansiedeln. „Der Tragöde ist ganz oben.“
Selbst als Filmregisseur brachte es Loriot, der seinen Künstlernamen nach der französischen Bezeichnung für das Wappentier der Bülows (den Pirol) wählte, zu Ruhm. Sein Kinodebüt „Ödipussi“, in dem der ältliche Möbelverkäufer von seiner Mutter immer „Pussi“ gerufen wird, war 1988 ein Riesenerfolg, übrigens wurde er am selben Abend in Ost- und West-Berlin in der damals geteilten Stadt uraufgeführt.
Zu Loriots 85. Geburtstag im Jahr 2008 war im Berliner Film- und Fernsehmuseum am Potsdamer Platz die bis dahin umfassendste Loriot-Ausstellung zu sehen. Loriot selbst hatte sich in den vergangenen Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Man sah ihn zuletzt kaum noch mit einem seiner Möpse am Starnberger See oder in Berlin spazieren gehen. Die Augen machten nicht mehr mit. Auf die Frage der Wochenzeitung „Die Zeit“, ob er das Gefühl verspüre, „dass man gehen soll, wenn es am schönsten ist“, antwortete Vicco von Bülow in preußisch knapper Manier: „Ja“.