Lüttich holt Anne Sinclair und Pablo Picasso ins Museum
Paris (dpa) - Stechend blaue Augen, Pagenschnitt und eine weiße Schleife im Haar. Das Porträt zeigt die französische Starjournalistin Anne Sinclair als vierjähriges Mädchen. Das Ölgemälde hängt zusammen mit Werken von Pablo Picasso und Georges Braque im Kunstmuseum La Boverie in Lüttich.
Die Bilder illustrieren die Lebensgeschichte des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg (1881-1959) - er war der Großvater Sinclairs. Ihm hatte die heute 68-Jährige kurz nach dem Sexskandal um Dominique Strauss-Kahn, von dem sie sich getrennt hat, ein Buch gewidmet. Darin geht es um die Klassische Moderne und Raubkunst.
Unter dem Titel „Picasso, Matisse, Braque, Léger. Rue de la Boétie“ zeigt das Museum bis zum 29. Januar mehr als 60 Meisterwerke. Der Titel der Werkschau bezieht sich auf das in Frankreich im März 2012 erschienene Buch „21 rue de la Boétie“ und auf die langjährige Adresse der Galerie Paul Rosenberg im 8. Arrondissement von Paris. In Deutschland kam das Buch ein Jahr später unter dem Titel „Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?“ heraus. Es sei in einer Zeit entstanden, in der sie mehr über ihre Familie erfahren wollte, wie sie selber sagte.
Rosenberg hatte frühzeitig angefangen, Künstler wie Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger, Henri Matisse und Marie Laurencin zu fördern. Wegen seiner jüdischen Abstammung floh er 1940 aus Frankreich nach Amerika. Seine zurückgelassenen Werke, mehr als 400, wurden von dem NS-Regime beschlagnahmt. Sie wurden als „entartet“ gebrandmarkt, nach Deutschland gebracht und verkauft, um die Kassen des NS-Regimes zu füllen.
Die in Lüttich ausgestellten Werke sind Gemälde, die über Rosenberg entweder verkauft wurden oder als Schenkungen in Museen gelangten, wie die großformatige Arbeit „Composition“ von Léger oder die Frauenszene „Die Probe“ von Laurencin. Sie gehören zu jenen 20 Werken, die Rosenberg dem Pariser Centre Pompidou vermacht hat - als Anerkennung für die Hilfe bei der Rettung seiner Sammlung. Denn nach dem Krieg erhielt er einen Teil seiner Werke wieder zurück.
Die Ausstellung sei eine Hommage der Museen und Privatsammler an die Arbeit ihres Vaters, sagte Sinclair der Deutschen Presse-Agentur. Er habe sich mit Leidenschaft für die Klassische Moderne eingesetzt, die das NS-Regime zerstören wollte. Unter den Leihgaben befinden sich auch Werke aus ihrem Besitz, darunter das Porträt von ihr als vierjähriges Mädchen. Sie habe nur wenige Bilder, aber die wenigen seien hier zu sehen, erklärte sie.
Lüttich hat in dem Kapitel der Raubkunst keine unbedeutende Rolle gespielt. Das Museum hat im Jahr 1939 neun Werke bei einer Versteigerung in Luzern in der Schweiz gekauft. Die Werke, die angeboten wurden, waren vom Dritten Reich erbeutet worden. Von den über 80 versteigerten Losen sollen 16 nach Belgien gekommen sein, neun davon gingen nach Lüttich, darunter „Das blaue Haus“ von Marc Chagall, „Der Tod und die Masken“ von James Ensor“.
Sie alle sind in der Ausstellung zu sehen. Man könne den Kauf der Werke kritisieren, denn mit dem Geld sei die Barbarei finanziert worden, wie Sinclair sagte. Gleichzeitig seien so die Gemälde gerettet worden.