Minimal Art und Konzeptkunst Wie Kiefernnadeln und Bleiwürfel ins Museum kamen
Düsseldorf (dpa) - „Wo ist denn hier die Kunst?“, fragten sich die Leute in einer Tordurchfahrt in Düsseldorf. Es war 1967, und die Vernissage-Besucher stapften verwirrt über einen Boden aus Stahlplatten.
Die Wände waren leer. Das Kunstwerk waren 100 Bodenplatten des amerikanischen Bildhauers Carl Andre.
Konrad Fischer hatte zu seiner ersten Ausstellung als Galerist eingeladen. Er verschaffte dem damals unbekannten Andre zugleich seinen ersten künstlerischen Auftritt in Europa. Andre hatte nichts als eine Zeichnung im Gepäck gehabt. Niemand hätte den Transport eines Kunstwerks aus den USA bezahlen können. Die Stahlplatten wurden erst in Düsseldorf gefertigt. Die Idee war wichtiger als das Objekt.
Fischer, der eigentlich Konrad Lueg hieß, schrieb in seiner nur drei Meter breiten und elf Meter langen Tordurchfahrt in der Neubrückstraße 12 Kunstgeschichte. Dort machte er Minimal- und Konzeptkünstler wie Carl Andre, Bruce Nauman, Hanne Darboven, Richard Long oder Sol LeWitt nicht nur in Deutschland, sondern europaweit bekannt - bis man auf dem Umweg schließlich auch in den USA auf sie aufmerksam wurde.
Rund 50 Jahre später sind die spröden Installationen aus Stahlplatten, Bleiwürfeln, Kiefernnadeln oder Weidenstöcken museumsreif. In gerade mal 100 Meter Entfernung zur einstigen Galerie Fischer sind die dort gezeigten Objekte nun Teil der ehrwürdigen landeseigenen Kunstsammlung NRW.
Das Museum hat die Sammlung des Galeristenpaares Dorothee und Konrad Fischer mit Hilfe des Landes und zahlreicher Sponsoren angekauft und kann damit ihren Bestand an US-Kunst mit wichtigen Werken ergänzen. Bis zum 8. Januar werden rund 200 Werke in der Ausstellung „Wolke & Kristall“ präsentiert.
Fischer war eigentlich auch Künstler, Freund von Sigmar Polke und Gerhard Richter, mit denen er Happenings etwa in einem Möbelladen in Düsseldorf veranstaltete. „Sie turnten zusammen durch die Szene in Düsseldorf“, sagt die Kuratorin Anette Kruszynski. Aber Fischer wollte etwas anderes schaffen, und dabei half ihm der damals in New York lebende Kunstkenner Kasper König. „Lieber Kasper, ich habe große Dinge vor“, schrieb Fischer an ihn. Und König vermittelte ihm in New York noch wenig bekannte Künstler.
Sie bekamen das Flugticket nach Deutschland bezahlt und durften sich in der Toreinfahrt mit ihren Ideen austoben. Richard Long etwa legte auf den Boden Weidenstöcke aus, und viele dachten: „Hat der einen Knall?“, sagt Kruszynski. Maßstabsgetreu ist die winzige Toreinfahrt in mehreren Boxen für die Ausstellung nachgebaut worden und die wichtigsten Installationen wurden rekonstruiert.
Auch Bruce Nauman wurde erst durch seinen Auftritt bei Fischer berühmt. Er präsentierte in der Einfahrt ein Tonbandgerät und einen Stuhl, um den das Band gelegt wurde. Zur Vernissage sollen angeblich nur Richter, Fischer und Nauman gekommen sein.
Fischer aber habe ein „untrügliches Gespür für Qualität“ gehabt und mit der Zeit ein „gut vernetztes Unternehmen“ aufgebaut, sagt Kruszynski. Wirtschaftlich war das anfangs ein Flop. Die Künstler wohnten in der Dachwohnung der Fischers. Doch der Galerist sicherte sich früh Alleinvertretungsrechte und sammelte „die Dinge, die am Wege lagen oder übrig blieben“. Manchmal kaufte er auch Arbeiten zurück, die er ausgestellt hatte.
In der Ausstellung sind nicht nur die berühmten Namen der Minimal- und Konzeptkunst vereint, sondern auch jüngere Künstler wie Gregor Schneider, Thomas Schütte und Paloma Varga Weisz vertreten. Wie harmonisch sich die Werke aus der Fischer-Kollektion in die Kunstsammlung fügen, ist im Obergeschoss zu besichtigen. An der Wand hängen Ikonen der Nachkriegsmoderne von Jackson Pollock über Robert Rauschenberg bis Andy Warhol. Auf dem Boden liegen Betonblöcke von Andre und ein Kreis aus Schieferbrocken von Richard Long - als gehörte das alles schon immer zusammen.
Inmitten der Avantgarde-Werke aus dem Bestand der Kunstsammlung ist Andres Hommage an seinen schon 1996 gestorbenen Galeristen ausgebreitet. Die Installation „Wolke & Kristall“ besteht aus zweimal 144 Bleiwürfeln - einmal zu einem Quader zusammengeschoben und einmal weit verstreut auf dem Boden - als Demonstration der weltweiten Wirkung Fischers.
Schon an der Säule vor der Museumskasse im Erdgeschoss begrüßt die Minimal-Kunst aufmerksame Besucher. Der US-Künstler Lawrence Weiner hatte 1969 die simple Idee, dass man ein sechs mal sechs Zentimeter großes Quadrat freikratzen und den Putz dahinter freilegen könnte. Ob an einer Säule oder einer anderen Wand ist wohl egal. Aber die Idee ist nun Kunst und darf nicht angefasst werden.