Motiv des Co-Piloten unklar Lufthansa-Chef Spohr: „Wir stehen vor einem Rätsel“
Noch ist unklar, warum der 27-Jährige den A 320 vorsätzlich in das Alpenmassiv lenkte. Lufthansa-Chef Spohr entlastet den getöteten Piloten.
Köln/Düsseldorf. Was bringt einen 27 Jahre alten Piloten dazu, eine Maschine mit 150 Menschen an Bord mit voller Absicht gegen eine Felswand zu manövrieren? Diese Frage versuchte Donnerstag Lufthansa-Chef Karsten Spohr (49) in Köln zu beantworten. Sichtlich mitgenommen und mit Tränen kämpfend sprach er vom schlimmsten Albtraum, der für ihn und sein Unternehmen wahrgeworden sei und bestätigte das, was die Staatsanwaltschaft in Marseille am Vormittag bekannt gegeben hatte: Die Tür zum Cockpit des A 320 hatte der Erste Offizier, wie Co-Piloten offiziell genannt werden, vorsätzlich verriegelt. Anschließend habe er ebenfalls mit voller Absicht den Sinkflug eingeleitet.
„Wir haben aber keinerlei Erkenntnisse darüber, was den Co-Piloten zu dieser schrecklichen Tat veranlasst haben könnte“, sagte Spohr. „Wir stehen vor einem Rätsel.“ Einen Terroranschlag schließt der studierte Ingenieur und Verkehrspilot Spohr aber aus. Damit liegt er auf einer Linie mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der in Berlin betonte, es gebe keine belastbaren Hinweise dafür, dass Dritte den Absturz absichtlich herbeigeführt hätten.
Indirekt bestätigte der Lufthansa-Chef einen „erweiterten Suizid“ des 27-Jährigen — also Selbsttötung in Tateinheit mit Mord. „Wenn jemand 149 Menschen mit in den Tod nimmt, ist das ein anderes Wort als Selbstmord.“ Spohr betonte, dass es sich um eine Einzeltat gehandelt habe. „Egal, wie hoch man die Sicherheit hängt, kein System dieser Welt kann eine solche Tat verhindern.“
Für den Piloten außerhalb des Cockpits sei es unmöglich gewesen, dieses zu betreten. Die Türen seien so massiv, dass sie selbst einen Beschuss mit kleinem Kaliber überstehen würden. Zudem könne der Zutritt von innen per „Lock“-Schalter verhindert werden, selbst wenn von außen der richtige Code zum Öffnen eingegeben werde. Unstrittig sei, dass der Pilot das Cockpit habe verlassen dürfen, sobald der A 320 seine Reiseflughöhe erreicht habe. „Der Kollege hat vorbildlich gehandelt.“
Trotz der Tragödie habe er weiter volles Vertrauen in seine Piloten. „Sie sind und bleiben die besten der Welt.“ Derzeit sei es zudem viel zu früh über mögliche Änderungen bei der Pilotenausbildung nachzudenken. „Wir vertrauen fest auf unser Auswahl- und Ausbildungsverfahren.“ Beide Piloten hätten dieses mit Bravur durchlaufen.
Der 27-Jährige aus Montabaur hat seine Ausbildung laut Spohr 2008 begonnen, zuerst an der Flugschule in Bremen, dann im US-Bundesstaat Arizona. Warum er seine Ausbildung dann aber für elf Monate unterbrochen habe, das wollte er mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht sagen. Nach der Unterbrechung habe der Mann seine Flugtauglichkeit wieder nachweisen müssen. „Er war zu 100 Prozent flugtauglich. Ohne jede Auffälligkeit“, sagt Spohr.
Nach seiner Ausbildung sei der Co-Pilot aber nicht sofort eingesetzt worden, sondern habe elf Monate als Flugbegleiter gearbeitet. Erst 2013 wurde er bei Germanwings als Pilot eingestellt. Seit dieser Zeit habe es keine Berichte über Auffälligkeiten gegeben. Spohr betonte, dass Cockpit- und Kabinenbesatzungen ausdrücklich dazu verpflichtet seien, auffälliges Verhalten von Kollegen zu melden.