Luther gegen Halloween: Der Reformator unterliegt Geistern

Reformationstag: Der Gedenktag des Protestantismus ist für viele nur noch eine Fußnote. Die Kirche setzt auf Lutherbonbons.

Düsseldorf. Am Mittwoch ist es wieder soweit: Bunt maskierte Kinder machen den letzten Abend des Oktobers zur Parade der Geister und Monster - Halloween heißt das Spektakel, an dem sich immer mehr Deutsche beteiligen. Es ist ein bisschen wie Karneval vor Weihnachten - leicht und ohne Tiefgang. Was darüber in Vergessenheit gerät: Der 31. Oktober ist eines der wichtigsten Daten der deutschen Geschichte, es ist der Reformationstag.

Vor exakt 490 Jahren nagelte der Mönch Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Der Nachhall erschütterte zumindest Nord- und Mitteleuropa nachhaltig. Weite Teile des Nordens sagten sich von Rom los, als Kontrast zur zentralistischen katholischen entstand die protestantische Kirche, die den Begriff der christlichen Gemeinde wieder neu erfand und den Glauben in den Mittelpunkt einer völlig neuen Liturgie stellte.

Ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte also. Es war auch der Kern für die Zerrissenheit der Nation, für die Spaltung in einen katholischen Süden und einen protestantischen Osten und Norden - blutig ausgetragen im 30-jährigen Krieg.

Dieser Tag hat also sowohl eine immense theologische wie auch politische Bedeutung. Gleichwohl ist er vielen Bürgern nicht mehr im Bewusstsein - der Tag danach, der katholische Feiertag Allerheiligen, ist deutlich präsenter. Feiertag ist der Reformationstag nur in den ostdeutschen Bundesländern, dort, wo die Protestanten die übergroße Mehrheit stellen und die Katholiken in der Diaspora leben. In NRW sind die Protestanten die Minderheit.

Vor allem aber überschattet zunehmend Halloween das Datum. Und man wird den Eindruck nicht los, dass die Kirche selbst den Kampf "Grusel gegen Luther" ein bisschen aufgegeben hat und sich dem Zeitgeist beugt.

"Wir fordern nicht die Einführung eines gesetzlichen Feiertags. Das wäre unrealistisch", sagte etwa Iris Döring vom Evangelischen Büro NRW unserer Zeitung. Auch gebe es keine zentrale kirchliche Veranstaltung mehr. "Es gab lange Zeit einen zentralen Termin in der Essener Gruga-Halle. Aber der ist sanft entschlafen", so Döring.

Stattdessen gibt es quer durchs Rheinland eine ganze Reihe von Gottesdiensten und Veranstaltungen. Dabei künden einige Titel der Treffen nicht unbedingt von Selbstbewusstsein: "Ich schäme mich des Evangeliums in Düsseldorf nicht" (Johanneskirche Düsseldorf, 19 Uhr) oder "Ich bin gerne evangelisch - oder?" (Bielertkirche, Leverkursen-Opladen, 19.30Uhr).

Von Luther ist auch das schöne Wort überliefert, dass aus einem "verzagten Arsch" kein "fröhlicher Furz" entweichen könne. Man möchte seinen Nachfahren also ein wenig mehr Standfestigkeit wünschen. Stattdessen gibt es einen Wettlauf mit dem Zeitgeist: Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) feiert sich in diesen Tagen dafür, dass zu "Halloween" so genannte "Lutherbonbons" an die Kinder verteilt werden. So wird eine Zeitenwende auf eine Süßigkeit reduziert.