Mach es selbst! - Das Geschäft mit individuellen Produkten
Stuttgart (dpa) - Immer mehr Unternehmen lassen ihre Produkte von Kunden gestalten. Ein Wörtchen mitreden können die Käufer etwa bei Schuhen, Müsli, Autos und Schokolade. Das hat auch für die Anbieter Vorteile.
Wer schon mal einen neuen Sportschuh gesucht hat, dürfte die Idee gut finden. Zig verschiedene Modelle stehen im Laden - und natürlich gibt es das für den eigenen Plattfuß passende nur in Schweinchenrosa. Damit ihnen mögliche Kunden künftig nicht mehr durch die Lappen gehen, denken einige Unternehmen nun um: Sie überlassen den Käufern das Ruder und machen ihre Produkte „individualisierbar“.
Da die Geschmäcker gerade beim Essen unterschiedlich sind, hat etwa die Berliner Firma Chocri daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Auf der Website des Anbieters können Kunden Schokolade mit Zutaten wie Fruchtstücken, Gewürzen oder Nüssen nach eigenem Gusto herstellen lassen. Der Umsatz des 2008 gegründeten Unternehmens verdoppelte sich mit zuletzt 3,6 Millionen Euro innerhalb von zwei Jahren nahezu. Zwei Drittel davon entfallen demnach auf die individuelle Schoki statt auf die vorgefertigten Angebote.
„Die Treiber dahinter waren Start-ups“, erklärt Frank Piller vom Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen. Ein typisches Beispiel sei die Firma Mymuesli aus Passau. Der Hersteller lässt Käufer ihr Müsli im Internet aus 80 Zutaten selbst mischen. Die Gründer sind inzwischen so erfolgreich, dass aus dem Drei-Mann-Betrieb innerhalb weniger Jahre ein Unternehmen mit 340 Mitarbeitern geworden ist.
Schokolade und Müsli sind aber nur zwei Beispiele. Individuellen Tee gibt es etwa bei 5 cups and some sugar, während Myuniquebag Handtaschen zum Selbst-Designen verkauft. Auch Großunternehmen tummeln sich mittlerweile in dem Markt: Coca-Cola verschickt auf Wunsch Flaschen mit dem Namen des Kunden, beim Schoko-Hersteller Ritter Sport lässt sich die Verpackung individuell gestalten.
„Es ändert sich gerade, dass auch die großen Markenartikler darauf setzen“, sagt Piller, der zu Maßanfertigungen für die Masse forscht. Auch Sportkonzerne wie Adidas und Nike bieten personalisierbare Produkte an - von der Farbe bis zum Schnürsenkel. Hinzu kommen bei Adidas etwa individualisierbare T-Shirts für Sportmannschaften. Künftig kann man einen ausgewählten Schuh mit Fotos bedrucken lassen.
„Die emotionale Verbundenheit spielt hier eine größere Rolle als bei der normalen Kollektion“, erklärt Adidas dazu. Das hat auch für das Unternehmen Vorteile: „Die Kunden geben in diesem Fall gern etwas mehr Geld aus.“ Grundsätzlich müssen die Käufer für die Nicht-Standard-Ware meist deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Dem Anbieterverzeichnis egoo.de zufolge gibt es deutschlandweit inzwischen etwa 550 Hersteller von Produkten, die sich individuell gestalten lassen. Zum Vergleich: Im Oktober 2008 waren es noch 30.
„Wenn man es richtig macht, hat man kostenseitig sogar einen Vorteil“, glaubt Experte Piller. Wer das entsprechende System zur Massenproduktion habe, setze nur noch die Einzelteile zusammen. Ein Beispiel dafür sei die Autobranche, die Neuwagenkäufern schon lange freie Hand bei Farben, Polstern und Co. lasse.
Für die Anbieter sind die Kunden-Kreationen Piller zufolge auch eine Art kostenlose Marktforschung: Sie bekommen direkten Einblick in die Wünsche und Bedürfnisse ihrer jeweiligen Zielgruppe. Und statt potenzielle Ladenhüter zu produzieren, fertigen sie Ware, die auch tatsächlich Abnehmer findet. Lange Lagerkosten entfallen.
Mit Unikaten werden wir uns aber wohl auch künftig nicht alle umgeben. „Es wird immer eine Nische sein. Die meisten Kunden wollen in den Laden gehen und das Produkt mitnehmen“, prognostiziert Piller. „Erstmal zahlen die Leute nur für das Erleben. Dauerhaft werden sie nur dafür zahlen, wenn sie einen funktionalen Nutzen haben.“ Auch Adidas erklärt: „Es ist nicht in Planung, jedes Produkt für eine Individualisierung bereitzustellen.“