Mehr als nur Klassiker: Der dtv wird 50
München (dpa) - Tausenden von Schülern haben sie durch die Schulzeit geholfen: die dtv-Atlanten. Ob zur Weltgeschichte, zur Biologie oder zur Literatur - sie hatten auf fast alles eine Antwort. In diesem Jahr feiert der Deutsche Taschenbuch Verlag (dtv) sein 50-jähriges Bestehen - und die Atlanten sind längst nicht das Wichtigste im Sortiment.
Seit 1964 der erste dtv-Atlas zur Weltgeschichte auf den Markt kam, hat sich auf eben diesem Buchmarkt viel getan. Waren es ursprünglich elf Gesellschafter, die den Verlag gründeten, um ihre Hardcover-Ausgaben auch als Taschenbücher zu vertreiben, sind es nicht zuletzt wegen der Konzentration des Buchmarktes heute nur noch vier.
Wolfgang Balk leitet den Verlag seit 15 Jahren als Geschäftsführer und spricht von einer „Erosion im Gesellschafterbereich“. Die hat dazu geführt, dass der dtv heute stärker als zu Beginn seiner Firmengeschichte auf sich selbst gestellt ist - und auf eigene Ideen angewiesen ist. „Der Verlag stand nie kurz vor dem Konkurs, es ging ihm immer gut und ist insgesamt eine Erfolgsgeschichte. Aber wie das bei jedem Unternehmen so ist, mussten auch bei uns nach ein paar Jahrzehnten Veränderungen stattfinden“, sagt Balk.
„Wir haben die Programmlinien neu strukturiert, insbesondere neben Literatur und Klassik das Unterhaltungssegment ausgebaut. Und so haben wir jetzt die Möglichkeit, auch Original- oder deutsche Erstausgaben als Taschenbuch herauszugeben. Damit wurde der Schwund der Gesellschafter und der Schwund der möglichen Titel kompensiert.“
Diese Veränderungen sind dem erklärten Literaturfreund, der - wie er sagt - fast immer mit einem Buch in der Hand einschläft, sicher nicht ganz leicht gefallen. Unter Balk nämlich öffnete der Verlag, der sich jahrelang auch durch seine literarischen Klassiker und Gesamtausgaben hervorgetan hatte und dessen Ausgabe Nummer eins Heinrich Bölls „Irisches Tagebuch“ war, überhaupt erst der Unterhaltungsliteratur.
Heute hat der dtv Bestseller wie die Krimi-Erfolge von Jussi Adler Olsen oder Dora Heldts Komödien in seinem rund 5000 Titel umfassenden Programm - und verdient damit gutes Geld. Rund 53 Millionen Euro betrug der Umsatz im vergangenen Jahr. Es war das beste Jahr in der Firmengeschichte. Auf die Unterhaltungsliteratur fielen dabei rund 20 Millionen Euro, die literarischen Klassiker brachten 10 Millionen ein, der Rest ergab sich aus Ratgeberliteratur, Sach- und Kinderbüchern.
Und noch etwas ist anders: Die charakteristischen, 30 Jahre lang von Grafiker Celestino Piatti gestalteten Designs, die die Schullektüren ganzer Generationen prägten, flogen aus dem Programm. Nach dem Tod des Grafikers habe man noch versucht, an seinen Stil anzuknüpfen, eine neue optische Gestaltung der Bücher sei aber entscheidend für den Verlag gewesen, sagt der dtv-Chef. Heute lautet die Strategie so: Nicht zu uniform, aber mit Wiedererkennungswert.
An diesem Donnerstag (26. Mai) feiert der dtv sich selbst und seine vergangenen 50 Jahre mit einem Festakt in München. Auf den Einladungen dazu ist der erste Verleger Heinz Friedrich (1922-2004) zitiert: „Erfunden haben wir das Taschenbuch nicht - aber wir haben etwas daraus gemacht.“