Mehr Förderung fürs Eigenheim

Die Landesregierung verschiebt die Gewichte im Wohnungsbau. Das geht auf Kosten der Sozialwohnungen — wenn die Groko nicht noch einspringt.

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Düsseldorf. Es war der Monat der Wohnungsbau-Initiativen: Anfang Februar stellte Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) den Rahmen der Landesregierung für die öffentliche Wohnraumförderung vor. Ende Februar folgte dann die Gründung einer „Allianz für mehr Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen“. Mit im Boot: der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW), der Verband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und der Eigentümerverband Haus & Grund.

Die Menschen bräuchten preisgünstigen Wohnraum, sagte die Ministerin anlässlich der Gründung. „Das geht nur mit mehr Mietwohnungen, mehr Eigenheimen und mehr Eigentumswohnungen. Viel hilft viel.“ Und Erik Uwe Amaya, Geschäftsführer von Haus & Grund NRW, erklärte zufrieden: „Wir begrüßen ausdrücklich die neue Wohnraumförderung, die nicht nur den Bau neuer Mietwohnungen fokussiert, sondern auch die Bildung des selbst genutzten Wohneigentums zum Ziel hat.“

Aber letzteres Ziel geht auf Kosten des Mietwohnungsbaus. Die Gesamtsumme der öffentlichen Förderung sinkt in NRW in diesem Jahr ohnehin gegenüber den beiden Vorjahren um 300 Millionen Euro — laut Ministerium dadurch bedingt, dass es vorübergehend mehr Bundesmittel wegen der hohen Flüchtlingszahlen gegeben hatte.

Innerhalb der für die nächsten fünf Jahre geplanten Summe von jährlich 800 Millionen Euro kommt es aber zusätzlich noch zu schrittweisen Umschichtungen zugunsten der Eigentumsförderung. So sollen die 520 Millionen Euro für den Mietwohnungsbau ab 2020 auf 500 Millionen sinken, die Eigentumsförderung dagegen bis 2022 von jetzt 80 auf dann 120 Millionen wachsen.

„Dabei sind die Mittel zur Eigentumsförderung bisher gar nicht abgeflossen“, kritisiert Sven Wolf, baupolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Ohnehin gebe es im ländlichen Bereich einen Überhang an Eigenheimen. Die von der „Allianz für mehr Wohnungsbau“ angestrebte Stärkung von Wohnungsbeständen auch außerhalb der Ballungszentren hält er für den falschen Weg.

Auch die Grünen sehen in der Schaffung bezahlbarer Mietwohnungen in den Ballungszentren das drängendste Problem. „Eine Ideologie, die aufs Eigenheim setzt, ist überholt“, sagt der Fraktionsvorsitzende und baupolitische Sprecher Arndt Klocke. „2016 haben wir es durch die Stärkung der Förderung geschafft, dass in NRW mehr preisgebundene Wohnungen gebaut wurden als aus der Zweckbindung herausfielen. Diese Arbeit muss Schwarz-Gelb fortsetzen.“

In einer Expertenanhörung zu Anträgen von SPD und Grünen äußerte sich Ende Februar auch der Mieterbund NRW kritisch zur neuen Ausrichtung der Landesregierung. Angesichts eines Bedarfs in NRW von jährlich 80 000 Wohnungen sei die Reduzierung des Fördervolumens nicht nachvollziehbar. Und: „Die Eigentumsförderung darf nicht zu Lasten des Mietwohnungsbaus gehen.“

Aufgrund der anhaltend niedrigen Zinslage sei eine öffentliche Förderung zur Eigentumsbildung auch nicht notwendig, so der Mieterbund. Im ländlichen Raum müsse wegen der vielen Leerstände und des damit verbundenen Wertverfalls sogar teilweise davor gewarnt werden, Eigentum zur Altersvorsorge zu erwerben. Und die Bauindustrie NRW forderte ebenfalls, „dass das Hauptziel der sozialen Wohnraumförderung auch in Zukunft die Förderung des Geschosswohnungsbaus bleiben muss“.

Sylvia Rietenberg, Fachreferentin für Wohnungspolitik beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW, kritisiert, dass die Landesregierung bei ihrer Allianz darauf verzichte, unter Einbindung der Wohnungsnutzer gemeinsame Lösungen zu suchen. „Und die Interessen derjenigen, die gar keinen Zugang zum freien Wohnungsmarkt mehr finden, sind überhaupt nicht berücksichtigt.“ Wer sich mit öffentlicher Förderung womöglich so gerade Eigentum anschaffen könne, drohe bei steigenden Zinsen in die Verschuldungsfalle zu geraten. „Es geht doch vor allem um die Menschen, die sich kein Eigentum leisten können: Familien, Singles, Alleinerziehende und Geringverdiener benötigen keine Eigenheimförderung.“

Ministerin Scharrenbach kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Die neue Eigentumsförderung senke die Hürden zum Eigentumserwerb, der sowohl Schutz vor Altersarmut als auch ein Beitrag sei, „um für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen“.

Dabei könnte zunächst einmal vor allem die große Koalition in Berlin für etwas Entspannung beim umstrittenen Thema Wohnungsbauförderung sorgen. Entgegen dem ursprünglichen Plan, dass sich der Bund im Zuge der Föderalismusreform nach 2019 endgültig aus der Finanzierung zurückzieht, bekennt sich der Koalitionsvertrag jetzt doch wieder zu einer gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern. 2020/2021 sollen bundesweit mindestens zwei Milliarden Euro zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden. Ein Großteil davon dürfte nach NRW fließen.