Mehr Grün in die Stadt - Paris will sich neu erfinden

Paris (dpa) - Verschmierte Graffitis, eingeschlagene Fensterscheiben, bröckelndes Gemäuer: Am alten Bahnhof Gare Masséna im Südosten von Paris ist nichts vom Glanz der französischen Hauptstadt zu finden.

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Nur überwachsene Gleise nahe des Hauses und ein kleines blaues Schild mit der Aufschrift „SNCF“ für die französische Staatsbahn lassen auf den früheren Bahnbetrieb schließen.

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Das heruntergekommene Gebäude war Objekt der Begierde von 17 internationalen Architektenteams. Im Rahmen des Wettbewerbs „Réinventer Paris“ haben sie den Bahnhof Masséna neu erfunden. Die aus dem Libanon stammende Pariser Architektin Lina Ghotmeh hat die Jury mit ihrer Vision überzeugt: In drei Jahren soll sich hier ein futuristischer Holzturm, vom mystischen Turm zu Babylon inspiriert, wie eine Schnecke in die Höhe winden. Für sechs Millionen Euro sollen im Bahnhof und dem benachbarten Turm neben Wohnungen und Büros auch eine Bio-Farm, sowie Ateliers und Labore rund um Ernährungsfragen entstehen.

„Urbane Landwirtschaft ist eine wahre Herausforderung für Großstädte. Sie wird in Metropolen des 21. Jahrhunderts noch eine wichtige Rolle spielen“, sagt Jean-Louis Missika. Der Stadtplanungsbeauftragte von Paris ist auch als Jury-Mitglied mit den Projekten befasst. 22 Orte im gesamten Stadtgebiet hat die Pariser Stadtverwaltung zur Umgestaltung ausgeschrieben.

372 Architektenteams haben bei „Réinventer Paris“ teils spektakuläre Projektideen für die Standorte eingereicht. Die 22 Sieger können nun alte Bürogebäude, leerstehende Grundstücke, ein Hotel, denkmalgeschützte Gebäude und Teile des Autobahnrings, der Paris umgürtet, neu erfinden. Insgesamt deckt das Projekt eine Fläche von 150 000 Quadratmetern in Paris ab.

Die Stadtkasse soll sogar noch profitieren: 560 Millionen Euro werden mit dem Verkauf von betroffenen Grundflächen kalkuliert. Das rund 1,3 Milliarden Euro schwere Projekt wird von privaten Investoren geschultert. Stadtplaner Missika: „Die Konzepte mussten gleich mit Investoren und Bauträgern vorgestellt werden, um den Prozess zu beschleunigen.“

Hauptkriterium der Jury: Innovation! „"Réinventer Paris" ist ein Ideenlabor. Jedes der Grundstücke und Gebäude kann interessant für die Architekten sein, um alles auszuprobieren, um zu sehen, was funktioniert und was nicht“, erläutert Missika. Nachhaltigkeit und Umwelt sind Kernpunkte „mit starkem Fokus auf Begrünung und urbaner Agrikultur“. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo freute sich in „Le Monde“: „Insgesamt werden 26 300 Quadratmeter bepflanzt.“ Für das nur wenig grüne Paris bedeutet das Gemeinschaftsgärten, öffentliche Gemüsebeete, weite Grünflächen, bepflanzte Dächer und Fassaden, ein künstlich angelegter Wald auf dem Autobahnring.

Auch menschliches Miteinander ist großes Thema. Öffentliche Plätze, Gemeinschaftsräume oder türlose Büros sollen Kennenlernen und Zusammenleben ermöglichen. Die Hälfte der 1341 geplanten Appartements entsteht als Sozialwohnungen. Drei Jahre lang soll das Projekt zudem für etwa 2000 zusätzliche Arbeitsplätze im Bausektor sorgen. „Réinventer Paris“ ist damit auch eine der Antworten auf aktuelle Pariser Probleme: Raumknappheit, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Luftverschmutzung und fehlende Grünflächen.

Eine Fortsetzung ist für 2017 bereits geplant: „Réinventer la Seine“ soll gemeinsam mit Rouen und Le Havre Projekte entlang der 365 Flusskilometer von der Haupt- bis zur Hafenstadt umfassen. Stadtplaner Missika erhofft sich davon, „den Fluss besser in die Stadtfunktionen aufnehmen zu können“.