Meike Winnemuth: Weltreisende mit Hang zum Experiment
Die Journalistin gewann bei Jauch eine halbe Million, war ein Jahr in der Welt unterwegs — und brachte ihren Gewinn wieder mit.
Es klingt wie aus einem Film. Erst gewinnt Meike Winnemuth eine halbe Million bei Günter Jauch, dann geht die Journalistin spontan auf Weltreise und lebt in zwölf Monaten in zwölf Städten, sie führt ein inzwischen ausgezeichnetes Reisetagebuch im Internet (www.vormirdiewelt.de) und schreibt hinterher einen Bestseller. Eine der verblüffendsten Entdeckungen dabei, so die heute 52-Jährige: „Das Geld aus Jauchs Show hätte ich gar nicht gebraucht.“ Der Gewinn wurde nicht angetastet, und Winnemuth musste sich trotzdem nicht bescheiden.
Sie habe schon immer gern Geschichten im Selbstversuch geschrieben, sozusagen ihr Glück ausprobiert, sagt Winnemuth. „Zum Beispiel habe ich mal einen Monat von Hartz IV gelebt oder mich mit 47 Jahren in drei Monaten für den New York Marathon fit gemacht.“ Den hat sie dann nicht nur durchgestanden. Nein, sie kam in weniger als fünf Stunden ins Ziel und wurde in der „New York Times“ genannt — wie sie es vorgehabt hatte.
Meike Winnemuth: 1960 in Schleswig-Holstein geboren, Studium, Henri-Nannen-Journalistenschule, nach Stationen bei „RTL“, „Stern“, „Amica“, „Park Avenue“ und „Cosmopolitan“ seit 2010 freiberuflich für das „SZ Magazin“, für „Geo Saison“ und andere Medien tätig. Verspielte Powerfrau mit Hang zum Experiment und großer Freiheitsliebe.
Wie kommt so jemand zu Jauch? Indem er sich ganz normal jahrelang dafür bewirbt. „Ich wollte den Luxus haben, auch mal einen Auftrag abzulehnen, weil ich ein finanzielles Polster habe.“
Als sie im Oktober 2010 dann in diese „gesegnete Lage“ kommt, körperlich fit genug und obendrein ungebunden ist, steht ihrer angeborenen Reiseleidenschaft nichts mehr im Weg: „Ich hätte doch verhauen werden müssen, wenn ich es nicht getan hätte.“
Die Reise war schnell vorbereitet: „Ich wollte nicht alles minuziös planen, dadurch entgeht einem so viel.“ Die zwölf Städte wurden aus dem Bauch heraus ausgesucht. Städte, in denen sie noch nicht war, die sie aber schon lange sehen wollte. Die Wohnung in Hamburg wurde untervermietet.
Da Meike Winnemuth unterwegs weiter arbeiten wollte, brauchte sie neben dem Koffer noch ein Laptop. „Ich liebe meinen Beruf sehr, die Arbeit gab mir auch Struktur. Und ich wollte wissen, ob ich es aus eigener Kraft schaffe.“ Hat sie: Die Weltreisende konnte ein Jahr lang komplett vom Schreiben leben. Eine Erkenntnis von vielen.
Eine weitere: „Sich auf die Welt, das Fremde und auch auf sich selbst einzulassen, das ist eine Erfahrung, die ich einem jeden gönne. Ich will die Menschen auf dumme Gedanken bringen“, schmunzelt sie. Und weil das Reisen eine subjektive, sehr zufällige Angelegenheit (auch so eine Erkenntnis) ist, hat sie keinen umfassenden Reiseführer geschrieben, sondern ein Buch. „Das große Los“ enthält zwölf persönliche Briefe, je einen aus Sydney, Buenos Aires, Mumbai, Shanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und Havanna, adressiert an je einen Menschen in ihrem Leben. Wie den 19-jährigen Publikumsjoker Jonas, der ihr bei der 500 000-Euro-Frage zum Erfolg verhalf und damit „all die (Reise-)Zufälle überhaupt erst ins Rollen brachte“.
Basis ist ihr Reiseblog, das sie führte, „weil ich etwas von dem Glück zurückzahlen wollte, das ich hatte, indem ich ganz viele Leute auf die Reise mitnahm“. Und als praktischen Ersatz für Postkarten.
Der enge und lebendige Dialog mit ihren Usern brachte weitere Zufälle in die Reise. Sie erhielt Anregungen — und Aufträge. So kaufte sie in Buenos Aires weiße Herren-Lackleder-Tangoschuhe und entzündete in der Grabeskirche in Jerusalem eine Kerze für den verstorbenen Chef einer Sekretärin. Sie lernte die ehemalige Haushälterin eines durch einen Schlaganfall reiseunfähigen Mathematikprofessors kennen, der in den 1970er Jahren in Addis Abeba an der Uni gearbeitet hatte, und verbrachte mit ihr und einem alten Fotoalbum einen wunderbaren Nachmittag. „So habe ich sehr persönliche, nahe Geschichten erlebt.“
Nicht alles lief nach Wunsch. Die Weltreisende verliebte sich nicht in jede Stadt. Das indische Mumbai („Eine Stadt als Nervensäge“) erlebte sie als Kulturschock, „das krasse Nebeneinander von tiefster Armut und obszönem Reichtum machte mich fassungslos“. Insgesamt überwogen aber die positiven Eindrücke. „Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich auch noch Kontakt habe.“ Wie den 89-jährigen „Vater“ der Antibabypille und späteren Schriftsteller Carl Djerassi, der ihr seine Wohnungen in San Francisco und London vermietete.
Zurück in Hamburg, musste sich Winnemuth neu eingewöhnen. Die Wohnung schien plötzlich zu groß und wurde zugunsten einer kleineren aufgegeben. Auch heute, gut 16 Monate nach der Rückkehr, ist sie noch nicht ganz angekommen, möchte ihren Wohnsitz am liebsten von Monat zu Monat ändern. „Ich fühle mich wohl dabei, immer wieder bei null anzufangen.“ Konsequenz: Die nächste Reise steht bereits fest. Zwölf deutsche Städte in zwölf Monaten — 2014 geht es los.