Mit 77 um die Welt - Berlinerin mit Oldtimer unterwegs
Berlin (dpa) - Bei „Hudo 2“ fehlt der Schlüssel. Also hat Heidi Hetzer (76) den Oldtimer Baujahr 1930 nach dem Kauf kurzgeschlossen. Jetzt röhrt sie damit über den Hof vor ihrer Berliner Garage - auf dem Rücksitz der alten Karosse fühlt sich das an wie in alten Schwarz-Weiß-Filmen.
„Hudo 2“ ist der Ersatzteil-Spender für „Hudo 1“. Mit dem will Berlins bekannteste Rallyefahrerin in zwei Jahren 70 000 Kilometer um die Welt brausen. Ihr Vorbild ist die Rennfahrerin Clärenore Stinnes, die in den 1920er Jahren auf eine ähnliche Tour ging.
Heidi Hetzer war mehr als 40 Jahre lang im Autogeschäft und auch in Talkshows ein Gesicht von Opel. In Berlin ist die blonde Frau mit den rot geschminkten Lippen ein Promi und wird von den Leuten angesprochen, zum Beispiel auf ihre Handtaschen in Autoform. Nach dem Krisenjahr 2008 trennte sich Hetzer 2012 von ihrem Geschäft, um die Nachfolge zu regeln und die Arbeitsplätze zu erhalten, wie sie sagt. „Ja, Mama, was machst du denn jetzt?“, haben die Kinder gefragt.
Ruhestand kommt für die Frau, die 200 Rallyes hinter sich hat, nicht infrage. Hetzer geht nicht, sondern düst durchs Leben. Von ihrem Vater hat sie das Schrauben gelernt und die Begeisterung für Motoren geerbt. „Ich kann nur Autos“, sagt sie.
Im Internet gab es zu dem Reiseplan hämische Kommentare über die „alte Schachtel“ mit dem „alten Auto“ - und wen das überhaupt interessiere. Danach war Hetzer „völlig erledigt“, bevor sie sich besann und zurückschrieb. Denn es macht einen Punkt klar: „Ich will ein Vorbild sein für alte Menschen, dass sie auch etwas unternehmen: Runter von der Couch.“
Eine Weltreise macht man ihrer Ansicht nach entweder am Anfang oder am Ende des Lebens, wenn Zeit ist. Jahrzehnte hat die Geschäftsfrau gearbeitet und Verantwortung getragen, Schwäche durfte sie in der Männerdomäne nicht zeigen. Hetzer sagt, was viele Frauen ihrer Generation unterschreiben würden: „Ich will einmal im Leben etwas für mich machen.“
Hetzer hat einiges von der Welt gesehen. Mit einem Opel Rekord Baujahr 1964 ist sie 2007 bereits in sechs Wochen von Düsseldorf nach Shanghai gereist. „Das war eine Kaffeefahrt.“ Im Sommer rollte die rüstige Lady mit der Seifenkiste einen Kreuzberger Hügel herunter. Sie besitzt 14 alte Autos - und einen Segway-Roller für Fahrten durch den Kiez. „Das ist überhaupt der Knaller.“
Vor dem Oldtimer posiert die Besitzerin von „Hudo 2“ mit schnittiger Rennfahrerkappe aus Leder. Mit den kurzen blonden Haaren und den roten Schuhen sieht sie jünger aus als Jahrgang 1937. Angst? Hat sie vor Grenzposten, die Reisepläne durchkreuzen könnten, nicht vor Krankheiten. „Ich war nie in meinem Leben krank, was soll da passieren?“
Mit den Enkelkindern will die vierfache Großmutter skypen. Im Juni 2014 soll es losgehen, dann wird sie 77 sein. Iran, Japan, Russland und Australien sind einige der Stationen. Geschlafen wird in Herbergen oder im Wagen, der immerhin moderne Sitze bekommen soll. Auch ihre Handtaschen in Autoform, Hetzers Markenzeichen, sollen mit auf die Reise gehen. Neben ihr wird ein Mechaniker sitzen, den sie schon seit 50 Jahren kennt - „spätere Heirat ausgeschlossen.“
Unterwegs möchte sie die Leute gerne nach Plätzen fragen, wo diese an ihrem Geburtstag hingehen würden. „Ich muss nicht alle Kirchen gesehen haben.“ Die Verständigung unterwegs soll auf Englisch und mit Händen und Füßen funktionieren. Dabei hilft ein kleines Büchlein „Point it“, das mit Bildern sagt, was gemeint ist. Das Zeitungsabo ist schon gekündigt. Wenn Heidi Hetzer zurückkommt, will sie ihren 80. Geburtstag vorbereiten. Den möchte sie am liebsten im Berliner Schloss feiern.