Mit der Wohnblase gegen Wohnungsnot

Bochum (dpa) - „Die Autos sind in dieser Straße noch nie so langsam gefahren“, sagt Angelika Koch. Jeder halte an, um zu sehen, was 20 Architektur-Studenten da in die Einfahrt neben ihr Mehrparteienhaus in Bochum gequetscht haben: eine Wohnblase aus Polyurethan.

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In dieser Woche wollen sie testen, wie es sich darin schläft.

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Man betritt das Gebilde über eine Leiter in einer grau-pinken ausrangierten Telefonzelle. Sie ist Eingang, Treppenhaus und Badezimmer zugleich. Oben steht man in einem fast leeren Kugelraum mit lichtdurchlässigen Wänden. Ein hüpfburgartiger Boden bildet eine große Matratze. „Er ist nicht so fest wie ein Betonboden“, sagt Alexander Rakow, einer der Studenten, „aber er trägt einen, und es ist ein schönes Gefühl, darauf herumzulaufen.“

„Bloon“ haben sie ihren Testballon getauft. Vorausgegangen war ihm ein Wettbewerb zur Frage, wie Studierende künftig wohnen können. Architektur-Dozentin Agnes Giannone erweiterte die Frage im Seminar: „Wie entwickelt sich eine Stadt wie Bochum, die alle Studentenwohnheime außerhalb hat, die sich aber neu erfinden muss und durch ihre Studenten ein wahnsinnig lebendiges Potenzial hat?“

Die Wohnblasen-Idee war als eine von mehreren im Rennen. Sie stammt vom Seminarteilnehmer David Keuer. „Eigentlich waren sich alle einig, dass mein Projekt raus ist, weil es halt nach unserem damaligen Stand schwierig bis gar nicht zu realisieren ist“, erinnert er sich ans bange Warten auf die Jury-Entscheidung. „Jetzt haben wir das Gegenteil gesehen.“

Anderthalb Jahre haben er und 19 andere Studenten an der Umsetzung gearbeitet. Mehrere zehntausend Euro habe das Experiment gekostet, sagt Agnes Giannone. Der größte Teil davon kam aus einem Förder-Programm für neue Ideen für städtisches Zusammenleben des internationalen Chemie-Unternehmens Akzo Nobel. „Das Wohnen der Zukunft ist eine Herausforderung, und das hier könnte eine Antwort darauf sein“, erklärt eine Firmensprecherin die Förder-Entscheidung.

Bei der Bewohnbarkeit der Blase scheiden sich die Geister der Schaulustigen. Die Küche würde ihr fehlen, sagt eine von ihnen. Tatsächlich ist die minimalistische Einrichtung eine Konsequenz aus einer Befragung von 277 Bochumer Studierenden, erklärt Alexander Rakow: „Rausgekommen ist wirklich, dass die Leute sich heutzutage vor allem auf ihr Bett und auf ihr Laptop beziehen.“

Eine Woche wird der „Bloon“ nun in Bochum erprobt. Dabei werden allabendlich Fotos auf die Rückseite der Kunststoffhaut projiziert, die die Bewohner auf einen angeschlossenen Computer hochladen. Bilder an die Wand zu nageln, geht ja nicht.

Das Besondere: Die Fotos sollen bleiben, wenn der Bewohner wechselt, erklärt Sandro Engel. Sein Hildesheimer Start-up „Urban Invention" hat die Projektionstechnik beigesteuert. „Dadurch kann ich als Bewohner in den Erinnerungen anderer Menschen schwelgen und schauen, wie sich der „Bloon“ weiterentwickelt, von Nacht und Nacht.“

Und von Stadt zu Stadt. Denn wenn alles klappt wie geplant, will die Studentengruppe mit dem „Bloon“ auf Reisen gehen, sagt Seminarleiterin Giannone.