Mit fünf Töchtern untergetaucht
Düsseldorferin flüchtete vor britischem Jugendamt, weil man ihr die Kinder wegnehmen will.
London. Die Geschichte der Düsseldorferin Natalie Bracht (35) gehört zu den mysteriösesten Krimis des Jahres. Seit einem halben Jahr ist die Mutter mit ihren fünf Kindern in England auf der Flucht. CIA und der israelische Geheimdienst sollen in ihr Schicksal verwickelt sein. Die Polizei sieht sie allerdings eher als Lügenbaronin mit Persönlichkeitsstörung statt als Bond-Girl - und jagt sie mit ungewöhnlichen Mitteln.
Die Ermittler haben die Bevölkerung gestern in einer groß angelegten Fahndung um Mithilfe gebeten. Fotos aus Überwachungskameras zeigen die Mutter mit fünf Töchtern auf der Flucht.
"Natalie hat ihr Zuhause mit den Mädchen verlassen, nachdem sie erfahren hat, dass die Kinder durch eine richterliche Verfügung vorübergehend bei Pflegeeltern untergebracht werden sollten", so der Chef der Northumbria Police, Ian Bentham. Seit sechs Monaten schlägt sich die Mutter im Untergrund durch, offenbar mit Hilfe von Sympathisanten. "Nach all der Zeit würden wir gerne wissen, ob es ihnen gut geht", so Bentham.
Das klingt freundlich, ist es aber nicht. Der Fall der Mutter wirft stattdessen ein Schlaglicht auf aggressive Sozialarbeiter und übereifrige Jugendämter. Bracht ist am 26. Januar 2006 nach Großbritannien gekommen, angeblich mit großzügiger Unterstützung des Britischen Generalkonsulats Düsseldorf. Sie sagt, von der diplomatischen Vertretung mit Pässen, Wohnung und einer Sozialversicherungsnummer ausgestattet worden zu sein - eine Behauptung, die das Generalkonsulat von sich weist.
Ihre Probleme begannen angeblich, als ein Rabbi aus Newcastle, der in der Stadtverwaltung arbeitet, bei ihr auftauchte und versucht haben soll, sie als Spionin für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad zu rekrutieren. Bracht soll sein Ansinnen abgelehnt haben. "Zwei Wochen später wurde unser Leben von oben nach unten gedreht", sagt sie in einem Interview. Beamte aus dem britischen Innenministerium und Sozialarbeiter hätten die Kinder nach ihrem Lebenswandel befragt, nach Freunden der Mutter und ob sie am Wochenende eine "spezielle" Schule besuchten. Nach fingierten Missbrauchsanzeigen soll Bracht schließlich das Sorgerecht entzogen worden sein.Der Vorsitzende einer Londoner Moschee, so ihre Version, habe sie nachts per Telefon gewarnt: Bracht schnappte sich die Kinder und flüchtete.
So hanebüchen diese Geschichte klingt, so undurchsichtig ist auch Brachts Vergangenheit: Die 35-Jährige behauptet, ihr Vater sei israelischer Spion gewesen, ihr Ex-Mann sei Nuklearforscher. Der Journalist Tony Gosford, der sie interviewt hat, zeichnet hingegen das Porträt einer netten Frau und einfallsreichen Mutter: "Ich habe keine Ahnung, ob ihre Spionage-Geschichten stimmen. Sie will auf keinen Fall ihre Kinder verlieren, und wenn sie aus diesem Grund lügt, können wir ihr das nicht vorhalten."
In dem Interview, das als Audio-Dokument im Internet kursiert, macht Bracht jedenfalls einen strukturierten und ruhigen Eindruck. Die Polizei hingegen warnt: Sie sei eine "theatralische Geschichtenerzählerin".
Ob der "Agententhriller" Auslöser der Flucht war oder - wie die Polizei es deutet - Beleg ihrer Persönlichkeitsstörung, wird sich so schnell nicht klären. Die 35-Jährige bittet indessen die deutschen Behörden, "den Fall aus einem anderen Blickwinkel" zu betrachten als die Briten.