Gericht Mitpatienten mit Messer angegriffen - 41-Jähriger gesteht
Ein Kripobeamter und ein Drogenabhängiger teilen sich ein Krankenhauszimmer in Essen. Plötzlich greift der Junkie zum Messer und attackiert den Polizisten. Jetzt steht der 41-Jährige vor Gericht. Eine Erklärung für seine Tat hat er nicht.
Essen (dpa). Ein 52-Jahre alter Polizeibeamter liegt nach einer schweren Operation in einem Essener Krankenhaus. Plötzlich wird er mit einem Messer angegriffen - vom Mann im Nachbarbett. Seit Dienstag steht der 41-jährige Angreifer wegen versuchten Totschlags vor dem Essener Schwurgericht. Beim Prozessauftakt sagt er leise: „Ich weiß nicht, was mich da geritten hat.“
Es war der Abend des 23. Mai 2015. Der Angeklagte war gerade erst eingeliefert worden. Passanten hatten einen Krankenwagen gerufen, nachdem er in der Essener Innenstadt zusammengebrochen und hilflos liegengeblieben war. Das Zimmer in der Klinik muss er sich mit dem frisch operierten Kripobeamten teilen. Der Polizist ist an mehrere Überwachungsgeräte angeschlossen, hat einen Venenzugang und einen künstlichen Darmausgang. Vom Beruf seines Mitpatienten weiß der Angeklagte allerdings nichts.
Es dauert nicht lange, bis es Ärger gibt. Erst um ein offenes Fenster, dann ums Rauchen. Der damals offenbar ohnehin sehr aggressive Angeklagte hatte sich heimlich eine Zigarette angezündet. Was dann passiert, schildert der Kripobeamte im Prozess so: „Er kam plötzlich mit einem Messer auf mich zu. Ein Rambo-Verschnitt. Er wollte mir die Klinge in den Hals rammen. Ich habe geschrien wie am Spieß. Ich hatte ehrliche Todesangst.“
Es gibt einen erbitterten Kampf. „Das war's jetzt. Jetzt ist alles egal.“ So oder so ähnlich soll der Angeklagte sein Opfer angefahren haben. Der Polizist greift mehrfach in die Klinge, um die Angriffe abzuwehren. Die Ärzte stellen später zahlreiche Schnitt- und Stichverletzungen an seinen Händen und Unterarmen fest. Außerdem wird der Medikamentenzugang am Hals herausgerissen.
„Er wollte mich wirklich umbringen“, sagt der Polizeibeamte. „Ich hatte tausend Schutzengel.“ Und schnell reagierende Krankenhausmitarbeiter. Durch die Schreie aufgeschreckt, stürzen Pfleger und Krankenschwestern ins Zimmer und halten den Angreifer fest.
Der Angeklagte legt zum Prozessauftakt sofort ein Geständnis ab. An manches könne er sich zwar nicht mehr erinnern, aber es werde schon alles stimmen. „Es tut mir wirklich sehr leid.“ Das Messer will er im Sperrmüll gefunden haben.
Der 41-Jährige hatte seit Monaten auf der Straße gelebt. Er nahm Drogen, schlief in Hauseingängen, klaute in Geschäften. Seine Heroin-Abhängigkeit wurde mit Methadon behandelt. Tabletten und Alkohol nahm er nebenbei. „Ich hatte eigentlich kein richtiges Leben“, sagt er den Richtern. „Ich habe immer nur versucht, den Tag rumzukriegen.“
Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Neben einer Haftstrafe droht dem 41-Jährigen auch die Unterbringung in einer geschlossenen Therapieeinrichtung. Das Urteil könnte möglicherweise schon am Freitag fallen.