Mittelalter lebt in Landshut
Landshut (dpa) - Tausendfach erschallt das langgezogene „Hallooo“ durch die Altstadt. Der Gruß ist zum Erkennungsmerkmal der Landshuter Hochzeit geworden.
Die etwa 100 000 Besucher aus aller Welt schmettern ihn am Sonntagnachmittag. Ob Amerikaner, Asiaten, Europäer oder Einheimische - alle hat das Hochzeitsfieber gepackt. Mit rund 2400 originalgetreu gekleideten Darstellern gehören die Historienspiele zu den größten derartigen Veranstaltungen in Europa.
Die Hochzeitszüge sind an den Sonntagen der bis zum 21. Juli dauernden Festspielzeit die Höhepunkte des vier Millionen Euro teuren Spektakels. Knechte und Edeldamen laufen wie anno 1475 durch die Gassen der 60 000 Einwohner großen Stadt. Tänzer wirbeln umher, Falkner präsentieren stolz ihre Greifvögel, Jongleure und andere Gaukler zeigen Kunststückchen. Spektakulär sind die Fahnenschwinger, die ihre Fahnen etliche Meter hoch durch die Luft werfen und mit schlafwandlerischer Sicherheit wieder fangen.
Die Landshuter Hochzeit wird alle vier Jahre aufgeführt - in diesem Jahr zum 40. Mal. Dabei wird die Vermählung des Herzogssohns Georg mit der polnischen Königstochter Hedwig aus dem Jahr 1475 nachgespielt.
Lange müssen die gemeinen Hochzeitsgäste am Straßenrand ausharren, ehe die edle Gesellschaft - Kaiser, Fürsten, Geistliche und Edeldamen - vorbeiziehen. Ganz früh am Sonntagmorgen haben sich die Besucher des mittelalterlichen Spektakels die besten Plätze gesichert. Manch gewitzter Geschäftsmann in guter Lage hat Fensterplätze in den oberen Etagen vermietet.
„Seit halb acht sitzen wir schon hier“, sagt Maria Obermayr, die mit ihrem Mann aus dem nahen Umkreis von Landshut angereist ist. Plätze für die Tochter und die Enkelkinder werden mit Campingstühlen reserviert. Die Wartezeit vertreiben sie sich bei einer ausgedehnten Brotzeit mit Brezn, Fleisch und Bier aus mittelalterlichen Krügen.
Horst Eichner aus Landshut hat seit 1950 keine Hochzeit verpasst. Auch er sitzt seit halb acht am Straßenrand. „Mein Sohn ist als kaiserlicher Fanfarenbläser dabei. Den will ich auf keinen Fall verpassen“, sagt der 70-Jährige.
Jahrelang trainieren die 2400 Darsteller ihre Rollen und passen sich auch optisch dem Mittelalter an, lange Haare und Bärte inbegriffen. Gaukler unterhalten die wartende Masse, Laiendarsteller spielen wie im Mittelalter die Hochzeit nach. Dabei sparen sie nicht mit Spott und Häme für das Brautpaar - die Braut wird zumeist von einem Mann mit langen Zöpfen und schlecht rasiertem Bart dargestellt.
Die Landshuter Hochzeit von 1475 war schon im späten Mittelalter legendär. Schließlich durften die knapp 10 000 Landshuter eine Woche lang kostenlos feiern, die Zeche zahlte der Vater des Bräutigams, der glücklicherweise Ludwig der Reiche hieß und seinen Geldbeutel weit öffnete. So wurde die Vermählung des Herzogssohns Georg mit der polnischen Königstochter Hedwig auf gigantische Art zelebriert.
Die heutigen Festspiele bewegen sich auf vergleichbarem Niveau. Seit Wochen sind Hotelzimmer ausgebucht; die Wirte am Rande des Hochzeitszuges machen das Geschäft des Jahrens. Für das Festival werden ein riesiger Turnierplatz mit Tribüne für die Adeligen samt Gefolge und ein Lagerplatz aufgebaut. Zum Jubiläum können die Besucher erstmals auch ein Fechtunterricht bestaunen.
Gut eine Stunde dauert es, bis der Zug mit Dutzenden Pferden, edlen Rittern in glänzender Rüstung und Hofnarren vorbeigezogen ist. Auf dem nahe gelegenen Turnierplatz kommt es dann zum spektakulären Reiter- und Ritterfest. Die Recken treten zu Pferd mit Lanzen oder zu Fuß mit Langschwertern gegeneinander an. Das Mittelalter lebt.