Mode für die Kleinen sollte kindgerecht sein
Ulm (dpa/tmn) - Sie tragen Miniröcke, Blazer und Lederjacken: Kinder sind heute oftmals nicht weniger modisch gestylt als ihre Eltern. Das ist nicht immer kindgerecht. Modeexperten raten zwar, auf Stil zu achten, aber die Kleinen nicht allzu erwachsen zu kleiden.
Die Mama trägt es, die zehnjährige Tochter bekommt es auch. Was anfing als eine Marotte von Hollywoodstars wie Katie Holmes und ihrer Tochter Suri, hat längst den Massenmarkt erobert: Kindermode wird bestimmt von Stücken, die so auch aktuell bei den Erwachsenen im Trend liegen. „Mini me“ nennt sich diese Entwicklung - Kinder werden zu gleichgekleideten Mini-Ausgaben ihrer Eltern. Und diese Modeerscheinung ist in diesem Frühjahr weiter angesagt.
„Fast schon eins zu eins findet man die Trends für die Erwachsenen auch bei den Kindern im Handel“, berichtet die Modeberaterin Sonja Grau aus Ulm. Leggins und XXL-Oberteile sind für Mädchen wie für ihre Mamas zu bekommen. Außerdem sieht Grau häufig Kleider im Stil von Petticoat-Modellen für die Kinder - „fast schon ein kleiner Diven-Look“. Für Jungs gebe es Blousons sowie Bikerjacken, Sakkos, Poloshirts und Hemden, vor allem mit Blumenmuster oder Karos. „Und in Cardigans wirken sie sogar ganz wie der Papa.“ Für beide Geschlechter sind Trenchcoats in.
Auch die Motivwahl vieler Designer ändert sich allmählich: Statt Mickey Maus und anderer Bewohner von Entenhausen, weiterer Comic- und Kinderbuchfiguren oder niedlicher Motive wie Teddys sehe man immer häufiger zum Beispiel Lippen, Sterne oder Stadtbilder auf Shirts und Pullis, sagt Grau. „Diese sind gerade bei den Erwachsenen total in Mode.“
Dieser Trend hat aber auch extreme, kaum kinderfreundliche Auswüchse. Angefangen hat die Entwicklung bei der kleinen Suri: Sie tippelte auf Absatzschuhen über die Straße. Die Kinder von Brad Pitt spielten in engen Röhrenjeans. Und der Nachwuchs von Victoria Beckham trug schon mal einen Nadelstreifenanzug. Das sind nur drei Beispiele von Promikids, die für den neuen Modetrend stehen. Nicht kindgerecht, gar sexistisch seien die Klamotten, lautete die Kritik.
„Ich finde diesen Trend ganz, ganz schlimm“, sagt auch die Modeberaterin Ines Meyrose aus Hamburg. Sie weist darauf hin, dass es hier oftmals nicht mehr um das Beste für das Kind geht, sondern um die Eltern. „Ich beobachte das viel bei den Eislaufmuttis. Da zählt nur, dass alles besser, schöner, toller ist.“ Die Expertin betont daher: „Absätze an Kinderfüßen gehen gar nicht. Das ist nicht verhandelbar.“ Und das nicht nur aus Gesundheitsgründen.
Wichtig ist, dass Eltern Kleidungsstücke immer so auswählen, dass sie dem kindlichen Bewegungsdrang gerecht werden und obendrein eine kindgerechte Wirkung haben, erläutert Meyrose. „Wenn eine Dreijährige einen Triangel-BH trägt, finde ich das negativ sexualisierend.“ Auch für Zehnjährige sei das noch nicht in Ordnung, denn optisch verlege das die Pubertät vor. „Das spricht die Männer an, und Kinder wissen nicht, wie man damit umgehen sollte.“
Gerade Klamotten, in denen sich Erwachsene schon nicht wohlfühlen, weil sie zum Beispiel zu eng geschnitten sind, sollten auch Kinder nicht tragen: „Sie werden beim Spielen sonst ausgeschlossen, weil sie sich nicht schnell genug bewegen können“, sagt Sonja Grau.
Aber die Modeberaterin weiß auch, warum die „Mini me“-Mode so gut ankommt: Während es in der Kindermode lange kaum darum ging, ob das Kind auch wirklich modisch angezogen war, haben die Eltern nun ein größeres Interesse daran. Und der Handel bedient das. Grau sieht darin einen Vorteil: Kindern wird frühzeitig Stilempfinden beigebracht. „Sie lernen grundsätzlich, auf sich zu achten und sich gut zu kleiden“, sagt die Modeberaterin. In eine falsche, übertriebene Richtung gehe es aber, wenn Kinder schon auf Markenjagd gehen oder ein Lolita-Image pflegen.
„Das modische Bewusstsein der Erwachsenen setzt bei der Kleidung für Kinder auch an - und die Verantwortung letztlich auch“, sagt Gerd Müller-Thomkins vom Deutschen Mode-Institut in Köln. Er verweist mit seinem Nachsatz auf einen weiteren Trend: Umweltbewusste Mode, auch als „green fashion“ bezeichnet, komme bei Eltern immer besser an. Sie achteten gerade bei Kinderbekleidung verstärkt auf schadstoffarm und ökologisch produzierte Stücke sowie auf den nachhaltigen Konsum und die Weiterverwertung. „Das liegt bei Kindermode ja in der Natur der Sache, dass sie weitergegeben oder aufgetragen wird“, erläutert Müller-Thomkins. „Kinder wachsen ja so schnell.“