Genie des Fundraising Museumsmann Martin Roth gestorben
London/Berlin (dpa) - Sichtbar stolz, aber mit großer Bescheidenheit nahm Martin Roth im vergangenen Sommer die Glückwünsche der britischen Herzogin Kate entgegen. Der Deutsche hatte das Londoner Victoria and Albert Museum (V&A) aus seinem Schattendasein geführt und zum bedeutendsten Ausstellungshaus Großbritanniens gemacht.
Dafür wurde es zum „Museum des Jahres“ gekürt. Er selbst legte kurz darauf die Leitung nieder. Am Sonntag ist der gebürtige Stuttgarter im Alter von 62 Jahren in Berlin gestorben.
Die Anteilnahme unter Kollegen und Politikern ist groß. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel würdigte Roth als einen „der besten und einflussreichsten Museumsleiter der Welt“. Das V&A sei „enorm betrübt“, teilte Roths Nachfolger auf dem Posten des Museumsdirektors, Tristram Hunt, am Montag per Twitter mit.
Roth war der erste Deutsche an der Spitze eines britischen Topmuseums. Gleichzeitig war er einer der erfolgreichsten und umtriebigsten Museumsmacher in Deutschland. Zwei Jahrzehnte lang war er in Dresden tätig. Zunächst als Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, später als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Während des Hochwassers im Jahr 2002 machte er sich als Krisenmanager einen Namen.
In der britischen Hauptstadt feierte er mit Ausstellungen zu David Bowie (2013), dem Modedesigner Alexander McQueen (2015) und der 68er-Bewegung (2016) Besucherrekorde. Das Museum in South Kensington bot Entertainment, Kunst und Zeitvertreib. Roth, stets mit perfekt sitzendem Anzug und Schlips gekleidet, mischte sich unters Volk. Nicht selten bekamen Besucher am Eingangsschalter Informationen direkt von ihm. Er war ein überzeugter Anhänger des freien Eintritts in staatliche Museen in Großbritannien, er sprach von „kultureller Grundversorgung“.
Wie keinem anderen gelang es ihm, die Relevanz von Kunst und Design in Gesellschaft und Politik aufzuzeigen. Gleichzeitig galt er als geschickter Kulturmanager, der neue Geldquellen auftat. Er betrieb die Erweiterung des V&A und die Eröffnung von Filialen auf dem ehemaligen Olympia-Gelände in London und im schotttischen Dundee.
Im Herbst vergangenen Jahres legte er sein Amt nach fünf Jahren nieder. Er wolle sich politisch wieder mehr engagieren, hatte Roth seinen Rückzug aus London begründet. Außerdem glaube er nicht, dass er das führende britische Museum für Kunst und Design noch „besser hinbekomme“. Doch es gab kaum einen Zweifel daran, dass auch das Votum der Briten zum EU-Ausstieg mit seiner Entscheidung zu tun hatte.
Im Deutschlandfunk sagte er, es sei „erbärmlich“, was die Kunst- und Kulturwelt gegen politische und gesellschaftliche Bedrohungen unternehme. Man schaue nur zu und befasse sich mit sich selber. Das Europa, an das er glaube, existiere möglicherweise schon längst nicht mehr.
Die Briten hatten sich im Juni 2016 in einer historischen Abstimmung entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Roth hatte sich vor dem Referendum deutlich gegen einen Brexit ausgesprochen. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses zeigte er sich damals entsprechend enttäuscht. „Ich empfinde dieses Ergebnis als persönliche Niederlage“, sagte Roth damals der Deutschen Welle.
Die Aussöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern lag ihm am Herzen. „Von Dresden nach London zu gehen, das ist schon ein symbolischer Akt“, sagte er einmal im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Von 1995 bis 2003 war Roth Chef des Deutschen Museumsbundes. Erst vor kurzem hatte er seine neue Stelle als Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen (IfA) angetreten. Der Kulturwissenschaftler war in Tübingen promoviert worden.