„Mustang Makeover“ Wie zwei junge Frauen Wildpferde zähmen
Düsseldorf. · Betty Merkel (19) und Hannah Catalino (24) haben 100 Tage, um aus wilden Mustangs brave Reitpferde zu machen. Die suchen dann ein neues Zuhause.
Vollkommen gelassen trottet das braune Pferd zwischen einem Getreide- und einem Maisfeld entlang, zwei Hunde um die Beine wuselnd, eine junge Frau auf seinem Rücken. Kein Sattel, kein Gebiss. Wer Betty Merkel (19) und ihre Stute Sheela Blue durch die bayerische Landschaft reiten sieht, wird kaum glauben, dass er ein amerikanisches Wildpferd vor Augen hat. Die junge Trainerin nimmt teil beim „Mustang Makeover“ in Deutschland.
Das Projekt bringt in diesem Jahr zum dritten Mal wilde Mustangs aus den USA nach Deutschland und zu 16 Trainern, die 100 Tage Zeit haben, sie als Reitpferde fit für eine Versteigerung zu machen. Das große Finale zum Wettstreit findet vom 23. bis 25. August auf dem CHIO-Gelände in Aachen statt. Danach suchen die Mustangs ein neues Zuhause in Deutschland. Denn: In ihrer Heimat gibt es für die wild lebenden Tiere nicht mehr genügend Fläche; die Nachfrage ist aber deutlich geringer als die Zahl der eingefangenen Pferde, die in Auffangstationen ausharren.
Betty Merkel hat eigentlich eine Banklehre absolviert, parallel aber schon immer Pferde ausgebildet. Jetzt will sie ihre Passion zum Beruf machen, auf gut Glück bewarb sie sich beim „Mustang Makeover“. Die Zusage kam für sie vollkommen überraschend: „Wirklich realisiert habe ich es erst, als die Stute auf meinem Hänger stand“, berichtet die 19-Jährige. Plötzlich hatte sie ein Pferd, das sich weder anfassen noch führen noch aus der Hand füttern ließ.
Eine Amerikanerin trainiert ein US-Wildpferd in Deutschland
Betty Merkels Devise lautet: schön langsam machen. Das musste sie ohnehin, weil sie sich gleich zu Beginn ihrer 100-Tage-Frist einen Finger brach und mit Gipshand arbeitete. Trotzdem fasste Sheela Blue (etwa sieben Jahre alt) rasch Vertrauen, ließ sich kraulen und das Halfter anlegen. „Sie hat eine ganz, ganz ruhige Art. Das fasziniert mich sehr“, sagt Merkel. Selbst das erste Aufsteigen war kein Problem mehr.
Die Pferdetrainerin sieht aber auch Unterschiede zu den deutschen Reitpferden. So lässt sich die Mustangstute von Fremden noch immer erst anfassen, wenn diese ihr vorher die Hand ausgestreckt haben. „Es ist für sie nicht selbstverständlich, von jedem berührt zu werden“, schildert Merkel. „Sie hätte da gern ein Mitspracherecht.“ Sheela Blue geht aber auch mutiger auf Neues zu, lernt schnell und speichert alles einmal Begriffene sofort ab.
Betty Merkel hört dieser Tage oft die Frage: „Sind Sie nicht das Mädchen, das einen Mustang hat?“ Sie erlebt: „Der Mustang fasziniert die Menschen.“ Und sie versteht auch wieso – zumindest hat sie sich gerade erst selbst einen Mustang in den USA gekauft. Sheela Blue will sie bei der Auktion in Aachen in ein gutes Heim abgeben – und mit den neuen Besitzern unbedingt in Kontakt bleiben. Das gilt auch für ihre Mustang-Makeover-Kollegin Hannah Catalino und deren Stute Bon Voyage – von ihr nur Voya genannt. Obwohl es für die 24-Jährige schwieriger sein wird, den Draht zu halten. Denn sie ist Amerikanerin und eigens für den Trainerwettstreit in Deutschland.
Sie hat in den vergangenen sieben Jahren mit vielen Mustangs gearbeitet. Ein Vorteil, sagt sie, aber nur, weil sie dadurch weiß: Jedes Wildpferd ist anders. Einer ihrer sechs Mustangs zu Hause auf dem Familienbesitz in Montana – acht werden es bereits sein, wenn sie zurückkehrt – lässt sie auch nach einem Jahr noch immer kaum den Huf heben. Auf Voyas Rücken saß sie schon in der dritten Woche, inzwischen galoppiert sie die Stute nur mit einem Ring um den Hals, ohne Trense. Obwohl das Pferd zu Beginn sehr ängstlich war. Catalino erinnert sich noch, wie sie ihren Freunden in den USA berichtete, Voya sei wohl „kein 100-Tage-Pferd“. „Sie hat meine Erwartungen übertroffen“, sagt die 24-Jährige nun. Hannah Catalinos Ziel ist es, einem Wildpferd, das nie mehr wird frei sein können, eine neue Freiheit in Menschenhand zu schenken. Sie glaubt an den Effekt, den Programme wie das „Mustang Makeover“ haben, um Bewusstsein für die Situation der amerikanischen Pferde zu schaffen. Und für das, was sie können.