Nach Feierabend auf die Piste: Nachtskifahren ist in

Nesselwang (dpa) - Skifahren nach Feierabend liegt im Trend. Immer mehr Brettlfans wollen ihrem Hobby auch unter der Woche nachgehen und die Stunden nach Dienstschluss dafür nutzen. Viele Liftbetreiber erhellen ihre Pisten deshalb mit Flutlicht.

Christian Schwanda und seine Tochter Patrice (8) sind begeisterte Skifahrer. Deshalb nehmen die beiden Ulmer den mehr als 100 Kilometer weiten Weg auf sich, um am Abend in Nesselwang im Ostallgäu zwei bis drei Stunden Pistenspaß bei Flutlicht zu erleben. „Das lohnt sich auf jeden Fall. Durch die Autobahnanbindung ist man ja schnell hier“, sagt Schwanda. Etwa 20 Mal war er schon zum Nachtskifahren an der Alpspitzbahn in Nesselwang. „Es ist eine ganz besondere Stimmung, die hier am Abend herrscht. Man sieht nur die erleuchtete Piste, alles andere um einen herum ist stockdunkel. Das ist ein tolles Erlebnis.“

Abendstunden im Schnee sind nicht nur im Allgäu ein Thema. Immer mehr Liftbetreiber in den bayerischen Wintersportregionen öffnen ihre Anlagen auch nach Dunkelwerden für Skifahrer oder Rodler. „Das Angebot wird größer, weil die Nachfrage steigt“, sagt Angelika Nuscheler vom Tourismusverband München-Oberbayern. Der Verband begrüße diese Entwicklung, weil Nachtskifahren ein Zusatzangebot nicht nur für Gäste, sondern auch für Einheimische darstelle. „Es wird gerne von Leuten genutzt, die am Wochenende keine Zeit haben oder mit der Familie etwas anderes unternehmen wollen.“

Im Allgäu hat sich nach Angaben der Tourismus-Fachleute bereits eine eigene Szene nachtaktiver Sportler entwickelt. „Viele treffen sich am Abend mit Freunden oder Kollegen, um auf der Piste ein paar Schwünge zu machen und anschließend in einer Hütte einzukehren“, sagt Jörg Müller-Loennies, Projektleiter für Wintermarketing bei der Allgäu GmbH in Kempten. Unter den Nachtskifahrern seien auch viele Mitglieder einheimischer Skivereine, die die Abendstunden für zusätzliche Trainingseinheiten nutzen. Mindestens ein Dutzend Flutlicht-Pisten gibt es inzwischen im Allgäu. Zusätzlich werden in der Region einige Rodelbahnen und Loipen abends beleuchtet.

Mehr noch als beim Nachtskifahren und Nachtrodeln hat Müller-Loennies einen neuen Trend bei nächtlichen Skitouren ausgemacht. Wintersportler würden nach Feierabend Felle auf die Skier aufziehen und im Schein ihrer Stirnlampen am Rand einer Piste zu einer bewirtschafteten Berghütte aufsteigen. „Es ist unglaublich, was da an manchen Abenden los ist. In den Hütten kommen bis zu 100 Leute zusammen.“ Einige Liftbetreiber stellen ihre Pisten auch mal Skibergsteigern eigens zur Verfügung. Aus Sicherheitsgründen wird das Präparieren der Pisten dann verschoben.

Während sich Einheimische und Gäste über das nächtliche Freiluftprogramm in den Wintersportregionen freuen, verfolgen Naturschützer und Jäger diese Entwicklung mit wachsender Skepsis. Sie sorgen sich vor allem um das Wild, das in den Wintermonaten dringend Ruhe brauche und nicht gestört werden dürfe.

Auch der Deutsche Alpenverein befürchtet durch die verlängerten Nutzungszeiten auf den Pisten negative Auswirkungen insbesondere auf nachtaktive Tierarten. „Weite Bereiche im Umfeld beleuchteter Pisten sind durch die Scheinwerfer betroffen, deren Licht auf der weißen Schneeoberfläche stark reflektiert wird“, sagt Steffen Reich vom DAV-Ressort Natur und Umweltschutz. Der Bau von Flutlichtanlagen stelle zudem einen massiven Eingriff in Natur und Landschaft dar. Beleuchtete Skipisten sollten nach Auffassung des DAV kleinräumig begrenzt sein. „Für einen Neubau sind strenge ökologische Maßstäbe anzulegen und hochalpine Regionen müssen tabu bleiben.“

Die Alpspitzbahn in Nesselwang bietet Skifahrern und Snowboardern indes schon seit sechs Jahren die Möglichkeit zum Nachtskifahren. „Das Interesse war von Anfang an groß und ist stets gewachsen. Vor allem seit dem letzten Winter, seit wir auch einen Flutlicht-Funpark anbieten, erleben wir einen massiven Zulauf“, sagt Geschäftsführer Ralf Speck. Jeden Abend nimmt die Bergbahn ab 18.00 Uhr nochmals für drei Stunden den Betrieb auf. In der Zeit zwischen Tages- und Abendbetrieb werden die beleuchteten Pisten neu präpariert.

Wie Speck sagt, wird das Angebot jeden Abend von mehreren hundert Wintersportlern genutzt. „Sogar aus Ulm, Augsburg und Stuttgart fahren die Leute zum Nachtskifahren ins Allgäu. An manchen Abenden kommen die Gäste mit mehreren Bussen hier an.“ Dass so viele Auswärtige das Angebot nutzen, liegt wohl auch an der Lage: Die vom Flutlicht hell erleuchtete Hauptpiste ist von der Autobahn 7 Ulm-Füssen aus gut sichtbar. Auch Wilhelm Botzenhardt hat sein Ziel von weitem gesehen. Mit einem Kollegen hat sich der Neu-Ulmer auf den Weg gemacht. Es ist das zweite Mal, dass Botzenhardt bei Flutlicht Ski fährt. „Man fährt etwas vorsichtiger, weil die Sicht zwar nicht schlechter aber doch anders ist“, erinnert er sich.