Nach Massenpanik: Kritik an Polizei wächst

Shanghai (dpa) - Nach der Massenpanik mit mindestens 36 Toten in Shanghai wächst in China die Kritik an den Behörden. Ihnen wird vorgeworfen, nicht ausreichend auf die Menschenmenge vorbereitet gewesen zu sein.

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Die Polizei gab Fehler zu.

„Die Polizei hat sich verschätzt, wie viele Menschen zu diesem Ereignis kommen“, räumte der Vizekommandeur der Polizeikräfte, Cai Lixin, Staatsmedien zufolge ein. Er widersprach aber Berichten, wonach nachgemachte Geldscheine, die aus einem Fenster geworfen worden waren, das tödliche Gedränge am Bund, der Uferpromenade der Hafenmetropole, ausgelöst hätten. „Das passierte nach der Massenpanik.“

Überwachungsvideos zeigten, dass Dutzende Scheine um 23.47 Uhr Ortszeit an der Adresse eines Nachtclubs am Bund durch die Luft segelten. Das tödliche Gedränge auf den völlig überfüllten Treppen der Uferterrasse habe aber schon um 23.35 Uhr begonnen. Die Menschen seien gestürzt, als die Menge hoch drängte, während andere hinunter wollten, berichteten Polizei und Augenzeugen übereinstimmend. Viele wurden niedergetrampelt, eingequetscht und erstickten.

Die Menschenmassen waren größer als erwartet, während die Präsenz der Sicherheitskräfte vergleichsweise gering war. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua kommentierte: „Auch wenn die konkrete Ursache der Massenpanik noch nicht verkündet ist, tragen die Behörden offenbar die Schuld.“ In einem anderen Kommentar war von einem „schwachen sozialen Management“ und einem „Weckruf“ die Rede. Selbst in einer führenden Stadt wie Shanghai mit einer modernen Verwaltung gebe es „Lücken“, schrieb die Staatsagentur.

„Die Polizei bedauerte ihr Versagen, wirksam einzugreifen, als der Strom der Menschen um 23.30 Uhr ungewöhnlich anschwoll“, zitierte Xinhua den Vizekommandeur der Polizei. Da erst seien weitere 500 Polizisten geschickt worden, um die Menge zu kontrollieren. Vorher waren nach anderen Angaben nur 700 Polizisten im Einsatz.

„Die tieferliegende Ursache ist, dass die Behörden nicht aufgepasst und in ihrer Wachsamkeit nachgelassen haben“, zitierte die Staatsagentur den Sicherheitsexperten Zhang Hong von der Universität für öffentliche Sicherheit. Das Bewusstsein, Unfälle zu verhindern, müsse immer höchste Priorität haben. Bei den Menschenmassen in Shanghai könne es „einen Mangel an Wachsamkeit“ gegeben haben.

In der Silvesternacht seien an den Uferterrassen weniger Sicherheitskräfte mobilisiert worden als etwa am Nationalfeiertag, hieß es in Medienberichten. Die geringere Polizeipräsenz wurde damit erklärt, dass eine ursprünglich geplante Lasershow mit Feuerwerk um Mitternacht eine Woche vorher abgesagt worden war. Der Grund war, dass ein zu großer Andrang und ein Verkehrschaos befürchtet worden waren. Im Vorjahr waren 300 000 Menschen gekommen.

Viele Shanghaier legten Blumen in der chinesischen Trauerfarbe Weiß am Unglücksort am Chen-Yi-Platz nahe dem historischen Peace Hotel nieder, um der Opfer der Massenpanik zu gedenken. Nach einer vorläufigen Liste mit 32 Getöteten, die am Freitag veröffentlicht wurde, waren die Opfer zwischen 12 und 37 Jahre alt, doch meist Anfang 20. Insgesamt 49 Menschen wurden verletzt, darunter 13 schwer.