Nachbeben schürt Sorge um Japans Atomkraftwerke

Tokio (dpa) - Vier Wochen nach der Mega-Katastrophe vom 11. März hat in Japan das bisher schwerste Nachbeben wieder Menschen in den Tod gerissen. Gleichzeitig richten sich bange Blicke auf ein weiteres Atomkraftwerk.

Die Erdstöße der Stärke 7,1 beschädigten einen Meiler im Nordosten des Landes.

In allen drei Reaktoren der Anlage in Onagawa schwappte leicht verstrahltes Wasser aus einem Abklingbecken für Brennstäbe. Zudem wurden Lecks an acht Stellen gefunden. Die EU einigte sich nach einigem Hin und Her auf schärfere Strahlengrenzwerte für japanische Lebensmittel. Die neuen Obergrenzen für radioaktive Strahlung sollen von der kommenden Woche an gelten - aber nur vorübergehend.

Das Nachbeben hatte Japan in der Nacht zu Freitag erschüttert. Noch am Abend waren viele Gebiete in der Erdbebenregion ohne Strom. Die genaue Zahl der Toten und Verletzten blieb zunächst unklar. Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete unter Berufung auf Polizei und Krankenhäuser vier Tote und 141 Verletzte. Die Nachrichtenagentur Jiji Press berichtete von einem Toten und mehr als 250 Verletzten.

In mehreren Kernkraftwerken im Nordosten gab es Probleme mit dem Strom, die Notversorgung funktionierte aber. Die Anlagen sind zwar seit dem Erdbeben der Stärke 9,0 vom 11. März und dem anschließenden Tsunami abgeschaltet. Die Brennelemente müssen aber weiter gekühlt werden, wozu Strom benötigt wird. Die Situation in der Anlage Fukushima Eins, die damals schwer getroffen worden war, verschärfte sich nach Angaben des Betreibers Tepco nicht.

Im Kernkraftwerk Onagawa setzte die Kühlung nach dem neuen Beben kurzzeitig aus, wie der staatliche Nachrichtensender NHK berichtete. Demnach versagten Teile der externen Stromversorgung, andere Energiequellen sollen die Anlage aber wieder ausreichend versorgen. Probleme bereitet den Technikern in dem Werk des Betreibers Tohoku Electric Power auch ein beschädigtes Gerät in einen Turbinengebäude, das den Druck regelt. Die Strahlung rund um den Meiler an der Pazifikküste, 180 Kilometer nördlich vom Krisen-AKW Fukushima, sei aber nicht erhöht, sagten die Behörden.

Im AKW Higashidori in der Präfektur Aomori sie die externe Stromversorgung für Stunden unterbrochen worden, berichtete Kyodo. Die Notversorgung funktioniere aber, mittlerweile sei der Schaden behoben.

Im Katastrophen-Kraftwerk Fukushima gab es nach Angaben des Betreibers Tepco keine neuen Schäden. Techniker kämpfen dort seit Wochen gegen den möglichen Super-GAU. Dem Energiekonzern zufolge wurde weiter Stickstoff in das Reaktorgehäuse am Block 1 eingeleitet. Das Gas soll das brisante Luftgemisch im Innern verdünnen und so verhindern, dass es zu neuen Wasserstoff-Explosionen wie kurz nach der Havarie kommt.

Der Kraftwerksbauer Toshiba legte Tepco ein Angebot zur Stilllegung der zerstörten Atommeiler von Fukushima vor. Innerhalb der nächsten zehn Jahre will das Unternehmen unter anderem die Brennstäbe aus den Reaktoren entfernen, hieß es in japanischen Medienberichten.

Toshiba sei bereits mit dem Aufräumen nach der Katastrophe im US-Atomkraftwerk Three Mile Island betraut gewesen, meldete Kyodo. Damals hätten die Arbeiten 14 Jahre gebraucht. In Three Mile Island war es 1979 - ähnlich wie in Fukushima - zu einer partiellen Kernschmelze gekommen.

In Japan denkt die Regierung über eine Erweiterung der Evakuierungszone um den Katastrophenreaktor nach. Japanische Medien berichteten, die Regierung könnte auch den Bewohnern außerhalb eines 30-Kilometer-Radius um Fukushima raten, das Gebiet zu verlassen. Die Entscheidung soll nach Angaben von Regierungssprecher Yukio Edano in den nächsten Tagen fallen.

Das japanische Kaiserpaar traf erneut Opfer der Atomkatastrophe von Fukushima. Kaiser Akihito und seine Frau Michiko besuchten in der Tokioter Nachbarprovinz Saitama eine Schule, in der rund 1200 Menschen Zuflucht gefunden haben. Die Evakuierten stammen aus der Region um Fukushima. Ministerpräsident Naoto Kan will am Sonntag in die Krisenregion reisen.

Die neuen Erdstöße lösten zahlreiche Brände aus. Straßen wurden gesperrt und Züge angehalten. Vereinzelt fielen Telefonnetze aus. Das Epizentrum lag nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS 66 Kilometer östlich von Sendai, das bereits am 11. März verwüstet worden war. Bei der Katastrophe starben nach jüngsten Angaben vermutlich fast 28 000 Menschen. 15 000 davon gelten weiter als vermisst.

Als Folge der Atomkatastrophe in Fukushima hatte die EU im März eine Regelung in Kraft gesetzt, auf die sie sich bereits 1987 nach dem Atomunglück in Tschernobyl geeinigt hatte. Darin waren Grenzwerte für Lebensmittel enthalten, die mit radioaktivem Jod-131 oder Cäsium-134 verunreinigt sein könnten. Mit Fukushima hat die EU-Kommission diese Regelung aus der Schublade geholt und erstmals angewendet. Laute Kritik von Verbraucherschützern folgte. Diese forderten die Angleichung an strengere Werte aus Japan, nämlich 500 Becquerel pro Kilo.