Nachtschicht mit Lady Gaga im Bergischen Land

Bergisch Gladbach (dpa) - Schon klar: Wer Superstars wie Lady Gaga interviewen will, braucht einen langen Atem. Auch die Königin des Pop machte es am Mittwochabend spannend. Zu später Stunde hatte die schrille US-Künstlerin mehr als 20 Journalisten ins Luxushotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach geladen, Heidi Klums Heimat.

Im Finale von Klums Casting-Show „Germany's Next Topmodel“ sollte die 25-Jährige am Donnerstagabend auftreten. Bis zuletzt wusste keiner so recht, ob die Künstlerin kommt oder nicht. Wie würde sie wohl aussehen? Und wie begrüßt man die Dame: Hallo Frau Gaga?

Genau! Und um kurz nach ein Uhr morgens ist es soweit: Wie ein Wesen vom anderen Stern schwebt Stefani Germanotta alias Lady Gaga in den Raum, im tief dekolletierten Versace-Kleid mit wallendem Rock und langer Schleppe, die ihre Füße verstecken. Die dünnen Arme stecken in Latex-Handschuhen, an deren Fingerspitzen zentimeterlange Nägel aus Löchern hervorlugen - knallrot. Sie sehen ein wenig aus wie Krallen. Doch die Frau mit dem grün-blauen Bob ist ganz harmlos.

Aus großen, dunkel geschminkten Augen blickt Lady Gaga in die Runde: „Sorry, dass es so spät wurde“. Doch das muss wohl so sein - denn wer nichts weniger als die Revolution des Pop ausgerufen hat, wird wohl kaum um 16 Uhr zur Pressekonferenz mit Kaffee, Apfelsaft und Schnittchen laden. Stattdessen also Nachtschicht mit der Gaga.

Mehr als 15 Millionen Alben hat sie weltweit verkauft, sie hat mehr als 37 Millionen Fans auf Facebook, sie war die erste Künstlerin, die die Marke von zehn Millionen Followern auf Twitter knackte. Ihre aktuelle Single „Born This Way“ landete als erster Song in Deutschland nur durch digitale Verkäufe auf Platz 1 der Media Control Charts. Als modernsten Popstar der Welt adelte „Der Spiegel“ die Sängerin aus New York kürzlich.

Und nun sitzt die Königin der Superlative ausgerechnet in Bergisch Gladbach, um sich und ihr Werk zu erklären. „Ich wollte die Grenzen des Pop öffnen, die Grenzen von Strukturen, Musikrichtungen und Themen“, sagt Lady Gaga über ihr neues Album „Born This Way“. Ob sie nicht Angst habe, dass ihre Musik durch ihre schrillen Auftritte in den Hintergrund gerät? Nein, meint sie. „Mit diesem Album ist die Musik mehr denn je in den Vordergrund gerückt.“

Überhaupt gehe es bei ihrem Ruhm weniger um Kameras und Aufmerksamkeit. „Es geht vielmehr um den Einfluss, den ich auf meine Fans und die Welt habe“, sagt Gaga selbstbewusst. Manchmal, wenn sie sich in Klatschzeitungen entdecke, denke sie: Oh mein Gott! „Aber das ist Teil des Spaßes. Ich versuche immer, mich mit Humor zu kleiden. Es geht nicht darum, sexy zu sein oder nur attraktiv, es geht darum, Spaß zu haben“, sagt Gaga - die bevorzugt in Unterwäsche tanzt und deren BHs auch mal Funken sprühen.

Die immer so freizügig wirkende Sängerin kann also auch konservativ. Jugendliche etwa sollten nicht zu früh Sex haben, findet sie. „Ich denke, sie sollten so lange wie möglich warten.“ Und natürlich immer verhüten. Zugleich betont sie, Sex sei nichts Falsches, sondern Inspiration für jeden. „Ich denke, es gibt keinen Song, der jemals geschrieben wurde, in dem es nicht um Sex geht.“

Vom US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ wurde sie zur einflussreichsten Künstlerin gewählt - hat Gaga nun alles erreicht oder gibt es noch Ziele? „Wenn man einen Marathon läuft, hört man nach der Ziellinie nicht auf zu rennen“, philosophiert die Künstlerin. „Bei mir geht es darum: Wie viele Marathons kann ich rennen? Wie viele Träume kann ich wahr werden lassen?“. Nicht für sich, fügt sie hinzu. „Sondern für meine Fans“.

Welche Träume das wären, lautet die letzte Frage des späten Abends. „Ich will, dass meine Fans nach den Sternen greifen. Und noch weiter“, sagt Lady Gaga. Dann schwebt sie aus dem Raum.