Namensstreit: Was Rio Reiser mit Unna zu tun hat
Eine Gasse mit dem Namen des Sängers? In der Stadt herrscht Zoff.
Unna. Er sang hochemotionale Balladen wie „Junimond“, aber auch Kampflieder der linken Szene wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Beim deutschen Liedermacher Rio Reiser kollidierten immer schon Welten — derzeit prallen sie in Unna aufeinander.
Denn dort hat die Leiterin des Kulturzentrums Lindenbrauerei einen großen Wunsch: Sie möchte dem 1996 im Alter von 46 Jahren verstorbenen Künstler ein Denkmal setzen. Zunächst machte Regina Ranft den Vorschlag, einen neu gestalteten Platz um das Kulturzentrum nach dem einstigen Frontmann der Band „Ton Steine Scherben“ zu benennen.
Nach heftigen Debatten entschied sich der Kulturausschuss der Stadt dagegen. Nun hat Ranft erneut einen Antrag gestellt: Die etwa 150 Meter lange Zufahrt zum Kulturzentrum ist noch namenlos. „Die könnte doch Rio-Reiser-Weg genannt werden“, so die Idee.
Zwar stammte der Sänger aus Berlin und nicht aus dem westfälischen Unna. Aber sein Bruder lebt in der Stadt. „Rio Reiser hat sich für die alternative Kulturszene in Unna eingesetzt. Außerdem war er der Erste, der erfolgreich Rockmusik in deutscher Sprache gemacht hat — vor Grönemeyer und Co.“, sagt Regina Ranft, die Reiser persönlich kannte.
Völlig anders sieht das die CDU-Fraktion. Deren Vorsitzender Klaus Göldner hat jetzt in einer öffentlichen Mitteilung Gründe zusammengefasst, die seiner Meinung nach strikt gegen einen Rio-Reiser-Weg sprechen. Ein Grund sei, „dass sich Polizei und Anarchos Anfang der 70er Jahre im Takt der Reiser-Musik gegenseitig verprügelten“.
Im Gespräch mit unserer Zeitung stellt Göldner klar: „Ich möchte Rio Reiser nicht schlecht machen. Sein Lied ,König von Deutschland’ kann ich mitsingen. Aber ich kenne auch die anderen Lieder. Er war ein Revoluzzer und Anarcho. Das sind Dinge, die es nicht rechtfertigen, eine Straße nach ihm zu benennen.“ Göldner bekräftigt, dass sich die gesamte Fraktion darin einig sei.
Doch in Unna schlägt traditionell der Ortsvorsteher neue Straßennamen vor und dafür ist derzeit eine SPD-Frau zuständig. Entsprechend optimistisch ist Ranft, dass es diesmal klappt: „Die SPD hat Zustimmung signalisiert.“ Auch die Grüne Alternative Liste stehe hinter dem Vorschlag. Am Donnerstag will der Haupt- und Finanzausschuss beraten, wie mit dem Anliegen umzugehen ist.
Was der Künstler wohl selbst dazu gesagt hätte? In seinem Lied „Straße“ von 1995 zumindest singt er: „Ach, vielleicht haben wir ja beide schrecklich recht, weiß man manchmal erst nach 100 Jahren.“