Nathan Myhrvold: Ein Mathematiker erklärt die Kochkunst

Millionen Dollar und drei Jahre Zeit steckte US-Unternehmer Nathan Myhrvold in ein höchst bemerkenswertes Kochbuch.

Frankfurt. Nathan Myhrvold ist ein schwerreicher Mann und möglicherweise der wissbegierigste Hobbykoch der Welt. In einer Werkshalle seines Technologie-Unternehmens Intellectual Ventures in den USA baute er ein Kochlabor auf und beschäftigte drei Jahre lang 18 Köche, Techniker, Wissenschaftler und Fotografen, um die Geheimnisse der Küche zu erkunden.

Das Ergebnis ist eine beispiellose, sechsbändige Enzyklopädie des Kochens, die unter dem Titel „Modernist Cuisine“ im November in Deutschland erscheint. Mit Fotos und Formeln werden Kochgeheimnisse erklärt, sei es der ideale Abstand des Fleisches vom Grill, die Abkühlungsdauer von Milchkaffee, die Wärmeverteilung im Wok oder auch, wie man die Lichtgeschwindigkeit in der Mikrowelle messen kann.

Mehrere Millionen Dollar, so verriet Myhrvold, ließ er sich das Projekt kosten. Zwei Auflagen des 460 US-Dollar teuren und 20 Kilo schweren Werks sind bereits verkauft, 40 000 Exemplare gedruckt. Die deutsche Ausgabe, so wirbt der Taschen-Verlag, koste „nur“ 399 Euro. Dafür bekommt der Leser über 2400 Seiten mit gut 3200 oft spektakulären Fotos.

Nie zuvor gab es ein Werk für Profis und neugierige Hobbyköche, das so anschaulich grundlegende Vorgänge des Kochens erklärt und umfassend in die Avantgardeküche einführt, die vor 20 Jahren von dem Spanier Ferran Adrià begründet wurde. Adrià habe das Kochen revolutioniert wie einst die Impressionisten die Malerei, sagt Myhrvold.

Aber das Buch ist kein Werk allein über die „Molekularküche“, obwohl es die meisten der neuen Zutaten und Techniken zur Herstellung von Gels oder Schäumen im Detail erklärt. Faszinierend sind vielmehr die vielen Erläuterungen zu alltäglichen Kochvorgängen. Um sie darzustellen, arbeitete das Team in Myhrvolds „CookingLab“ mit Hochleistungsmessgeräten und -kameras.

Respekt vor Traditionen kennt der Amerikaner nicht. Er stellt Hygieneregeln infrage und räumt mit Gesundheitsvorschriften auf. Wein wird bei ihm nicht feierlich in eine Karaffe umgegossen, um die Aromen zu intensivieren, sondern einfach in den Elektromixer gekippt. Die Methode heißt Hyperdekantieren. „Wenn der Schaum sich gesetzt hat, finden Tester den Wein viel besser als den normal dekantierten“, sagt Myhrvold.

Dass er dafür auch einen 1982er Château Margaux nimmt, einen der berühmtesten Weine der Welt, klingt für den Liebhaber nach Wein-Folter. „In Frankreich werden sie mich wohl dafür verhaften“, scherzt der Amerikaner.