Naturfilmer Dirk Steffens: „Ich finde wilde Tiere unheimlich“
Naturfilmer Dirk Steffens über sein neues Wissensmagazin, seinen schweren Kletterunfall bei Dreharbeiten, den richtigen Umgang mit Anakondas und seinen Nebenjob als Konsul von Palau.
Berlin. Seinen Spitznamen hat sich Dirk Steffens redlich erarbeitet: „Indiana Jones des ZDF“ wird der Naturfilmer genannt, der seit Jahren in den entlegensten Weltgegenden dreht und dabei vom Kletterunfall auf Santorin bis zum Haiangriff schon diverse Abenteuer bestand.
Ab 5.6. moderiert der in Hamburg lebende 43-Jährige ein Wissensmagazin im ZDF, das auf Erlebnisfernsehen statt auf graue Theorie setzt: „Terra Xpress“ beleuchtet sonntags um 18.30 Uhr wechselnde Themen — mit aufwendigen Experimenten und unterhaltsamen Selbstversuchen von Dirk Steffens.
Der Journalist arbeitete 1994 als Politikredakteur für den Deutschlandfunk, bevor er als Naturfilmer, unter anderem für den Privatsender Vox, seinen Durchbruch hatte. Die ZDF-Reihe „Faszination Erde“, in der Steffens seit 2008 spektakuläre Aufnahmen von Tiere und Landschaften ins heimische Wohnzimmer bringt, will der Marathonläufer und begeisterte Wassersportler auch künftig präsentieren.
Herr Steffens, im ZDF moderieren Sie künftig ein launiges Wissensmagazin über alltägliche Themen wie Klebstoff. Klingt nach einer „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene...
Dirk Steffens: Das ist aber mal ein schmeichelhafter Vergleich — die „Sendung mit der Maus“ ist großartig! Bei Erwachsenen ist es doch auch nicht anders als bei Schülern: Wenn etwas Spaß macht, dann hat man Bock auf Lernen, ein langweiliger didaktischer Ansatz dagegen schreckt ab. In „Terra Xpress“ will ich den Zuschauern mit unterhaltsamen Inszenierungen Lust aufs jeweilige Thema machen.
Wie genau soll das aussehen?
Steffens: Nehmen wir das Thema alternde Gesellschaft. Wir haben drei sportliche Senioren gegen normale junge Leute zu einem Dreikampf antreten lassen: Liegestütz, Laufen und Schwimmen. Das Ergebnis war unglaublich. Eine Turnerin, 72 Jahre alt, hat mit 27 Liegestützen ihre 20-jährige Konkurrentin locker aus dem Feld geschlagen. Das zeigt doch viel anschaulicher als wissenschaftliche Ausführungen, dass der menschliche Körper auch im Alter noch zu erstaunlichen Leistungen fähig ist, wenn man regelmäßig trainiert.
Sie lassen aber nicht nur andere antreten wie in diesem Fall, sondern wagen auch spektakuläre Selbstversuche.
Steffens: Ich will in der Sendung Dinge selber erleben und dann davon berichten. Für eine Folge über Stürme war ich in einem Windkanal, wo sonst Bauteile des Airbus A 380 getestet werden. Ich flatterte umher wie ein Blatt im Herbststurm, zum Glück war ich festgegurtet. Bei etwa 150 Stundenkilometer habe ich aufgegeben. Das war natürlich aufregend und spannend.
Haben Sie denn nach Ihrem schlimmen Unfall bei den Dreharbeiten zu „Terra X“ voriges Jahr nicht die Nase voll von derlei waghalsigen Einsätzen?
Steffens: Das war beim Klettern auf Santorin, da löste sich ein Lavabrocken über mir und krachte mir voll ins Gesicht. Ich hatte über 20 Brüche. Aber inzwischen sind die Folgen ja fast vollständig verschwunden. Ich nuschle nur ein bisschen, wenn ich die Zahnspange drin habe, die ich noch ein paar Monate tragen muss.
Und trotz dieses Horrorerlebnisses sind Sie bei den Dreharbeiten jetzt wieder so mutig wie eh und je?
Dirk Steffens: Ich war nie mutig! Ich fand sogar wilde Tiere immer unheimlich, was für einen Naturfilmer natürlich komisch ist. Aber ich arbeite bei den Dreharbeiten ja mit Profis zusammen, die mir Tipps geben, nach dem Motto: Wenn du versehentlich auf die Anakonda trittst, musst du sie rasch hinterm Kopf greifen, dann ist alles okay. Das ist für mich wie ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem ich meine Angst kontrollieren muss. Das Problem ist nur, dass ich auch noch eine sinnvolle Moderation hinbekommen soll, wenn ich einem Löwen gegenüberstehe oder in 50 Metern Höhe an einer Glasfassade hänge.
Was haben Sie denn in 50 Metern Höhe an einer Glasfassade verloren?
Steffens: Ich bin da für „Terra Xpress“ hochgeklettert, nur mit Hilfe von Klebefolien an den Händen. Außerdem war ich in einem Segelflugzeug unterwegs, das nur zusammengeklebt war. In der betreffenden Folge geht es nämlich um Klebstoff. Jeder hat doch eine Tube Kleber in der Schublade, und ich versuche in der Sendung, aus solchen Alltagsdingen spannende Geschichten rauszuziehen.
Und was sagen Sie nach dieser eingehenden Beschäftigung mit dem Thema Kleben geplagten Menschen, denen regelmäßig der Handtuchhaken von den Kacheln im Bad fällt?
Steffens: Passiert Ihnen das öfter? Dann kleben Sie falsch, zum Beispiel reinigen Sie den Untergrund vorher nicht richtig. Der User ist immer das Problem. Wir haben für meine Sendung zwei Ingenieure bei einem Weltrekord fürs Guinnessbuch begleitet. Die beiden haben ein Gewicht von rund 8,1 Tonnen an die Decke geklebt — mit einem handelsüblichem Kleber.
„Terra Xpress“ soll wöchentlich laufen, haben Sie da eigentlich noch genug Zeit für Ihre anderen TV-Projekte? Zuletzt waren Sie für Ihre Dokumentationen ja etwa 200 Tage im Jahr auf Achse.
Steffens: Ich bin allein für „Faszination Erde“ mindestens 100 Tage unterwegs — das sind sechs Dokumentationen pro Jahr, und die Reihe ist für mich nicht verhandelbar. Mein Terminkalender war also in der Tat ein gewisses Problem, aber wir haben das hingekriegt.
Zudem müssen Sie auch Ihren Aufgaben als Honorarkonsul der pazifischen Inselrepublik Palau nachkommen. Wie kamen Sie eigentlich zu dieser Ehre?
Steffens: Ich habe dort vor Jahren Unterwasserdokumentationen gedreht, und wenn in so einem Zwergstaat mit 20.000 Einwohnern ein weißer langer Lulatsch mit einem Kamerateam durch die Gegend rennt — das fällt auf. Irgendwann habe ich den Präsidenten Palaus kennen gelernt, und am Ende des Gesprächs haute er mir auf die Schulter und sagte: „Dirk, hast du Lust, unser Land in Deutschland zu vertreten?“ Am Anfang dachte ich, der will mich verulken. Ich musste dann ein Prüfungsverfahren durchlaufen, bekam eine Urkunde und bin seitdem Diplomat niedersten Ranges. Deshalb werde ich auch zu allen möglichen hochoffiziösen Anlässen eingeladen.
Also trifft man Sie öfter auf dem diplomatischem Parkett?
Steffens: Selten. Aber demnächst besuche ich wahrscheinlich eine Gartenparty in Hamburg anlässlich des Geburtstags der Queen. Da treffe ich einflussreiche Leute und kann vielleicht etwas für Palau bewegen — schließlich gehört es zu meinem Job, den Ökotourismus und den Umweltschutz dort zu fördern.