Neue Hinweise: Pflegekinder bei Mordverdächtigem?
Hamburg/Verden (dpa) - Die schaurigen Verbrechen schockieren ganz Deutschland. Kleine Jungen wurden ermordet, andere missbraucht. Nach dem Geständnis im Mordfall Dennis kommen immer neue Details ans Licht.
So sollen dem festgenommenen Pädagogen einst Pflegekinder anvertraut gewesen sein.
Nach dem Mordgeständnis des Pädagogen Martin N. geht die Polizei Hinweisen auf weitere Verbrechen des 40-Jährigen nach. „Jetzt melden sich auch frühere Nachbarn und Menschen, die den Mann kennen“, sagte eine Sprecherin der Sonderkommission im niedersächsischen Verden am Wochenende. Der Verhaftete hat gestanden, 2001 den neunjährigen Dennis und zuvor zwei andere Jungen getötet zu haben. Zudem soll er dutzende Jungen - möglicherweise auch Pflegekinder - missbraucht haben. Die Polizei hatte die Festnahme des sogenannten „Maskenmanns“ am Freitag verkündet.
Martin N. soll nach einem „Spiegel“-Bericht früher auch Pflegekinder betreut haben. Nach Angaben ehemaliger Nachbarn habe N. Ende der 90er Jahre wiederholt „etwa 10 bis 15 Jahre alte Pflegekinder“ in seiner damaligen Wohnung in Bremen-Neustadt bei sich aufgenommen, berichtete das Nachrichtenmagazin.
Die Kinder hätten aus sozial benachteiligten Familien gestammt und seien zur vorübergehenden Betreuung an N. vermittelt worden. Ob die Angaben zutreffen und wer für die Vermittlung der Kinder an den offenbar pädophilen N. verantwortlich war, werde in der Bremer Sozialbehörde geprüft. Eine Polizeisprecherin wollte die Angaben weder bestätigen noch dementieren.
Die Ermittler wollen zunächst alle eingehenden Informationen und Hinweise sammeln und intern auswerten, um dann gezielt Zeugen anzusprechen. Die Prüfung könne noch Wochen dauern. Dabei werde auch untersucht, ob noch weitere Kindermorde und Missbrauchsfälle auf das Konto des Mannes gehen.
Martin N. sei in den Jahren 2005 und 2006 aktenkundig als Straftäter in Erscheinung getreten, bestätigte Wilhelm Möllers von der Hamburger Staatsanwaltschaft einen Radiobericht von NDR 1 Niedersachsen. Der Mann soll zwei Jungen am Bauch gestreichelt haben - jedoch ohne Misshandlungen. Ein Verfahren sei gegen Zahlung einer Geldauflage von 1800 Euro eingestellt worden.
Später soll er einen Mann aus Berlin mit kinderpornografischen Fotos erpresst haben. Dabei ging es um eine Geldforderung von 20 000 Euro. Die Geldübergabe sei jedoch gescheitert. Ein Hamburger Gericht habe ihn zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. „Die Bewährungszeit hat er ohne Beanstandungen überstanden“, sagte Möllers. „Diese Taten sind getilgt, erledigt und erlassen - auf dem Papier ist der Mann unbestraft.“
Fahnder fordern als Konsequenz aus dem Fall bessere Bedingungen für ihre Ermittlungsarbeit. „Dieser Fall zeigt deutlich, wie wichtig eine rasche Auswertung von Zeugenaussagen und insbesondere von Beweismaterial ist - und das dauert in Deutschland leider immer noch viele zu lange“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, der „Bild am Sonntag“. „Teilweise werden wegen Personalmangel DNA-Spuren oder Fingerabdrücke, die als Beweise für Verfahren wichtig sind, erst nach sechs Monaten oder teilweise zwei Jahren bearbeitet und ausgewertet. Das ist für die Täterermittlung und den Abschluss eines Verfahrens eindeutig zu lange.“
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lobte die Verdener Ermittler für den Fahndungserfolg und betonte die Belastungen der Beamten während der langjährigen Tätersuche. „Seit zehn Jahren hat der Mord an Dennis die Ermittler nicht ruhen lassen. Sie waren von dieser Tat persönlich betroffen und haben die Bilder mit nach Hause genommen. Diese Belastungen waren aber auch der Antrieb, nie aufzugeben.“