Nobel-Preisträger: Dem Jungbrunnen auf der Spur

Der Nobelpreis für Medizin geht an drei US-Forscher für Untersuchungen zur Alterung von Zellen.

Stockholm. Den Anruf mit der frohen Kunde hätte Carol W. Greider (48) um ein Haar verpasst. "Ich bin zwischen 5 und 7 Uhr morgens normalerweise unterwegs auf dem Fahrrad oder beim Schwimmen." Doch das fiel am Montag aus. Stattdessen überraschte Göran Hansson, Sekretär des Nobelkomitees, die US-Molekularbiologin mit der Nachricht, dass sie mit ihrer ehemaligen Doktormutter Elizabeth Blackburn (60) und Jack Szostak (56) den mit knapp einer Million Euro dotierten Nobelpreis für Medizin erhält - für ihre Forschungen zur Zell-Alterung und die Entdeckung des "Jung-Enzyms".

Greider ist dabei nicht nur die jüngste des US-Trios, sondern hatte als Legasthenikerin wohl auch den schwersten Start in ihre wissenschaftliche Karriere. Heute leitet sie ein Labor an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore.

Ihr Glück kaum fassen konnte Elizabeth Blackburn, die an der University of California beschäftigt ist: "Ich denke immer noch, ich träume." Jack Szostak, der am Massachusetts General Hospital in Boston forscht, will ein großes Fest ausrichten.

Bereits in den 80er-Jahren hatten sich die Forscher auf die Suche nach dem "Jungbrunnen" gemacht. Was lässt Zellen altern, was kann dagegen getan werden, und was passiert, wenn diese Entwicklung aus dem Ruder läuft? In den Fokus gerieten dabei die Telomere, die Endstücke der Chromosomen, die für die Stabilität der DNA bei der Zellteilung wichtig sind.

Szostak fand 1982 heraus, dass diese Endteile die Chromosomen, also die Erbgutträger, vor dem Ausfasern und Zusammenkleben schützen wie Plastikhülsen die Schnürsenkel. Allerdings werden die Telomere bei jeder Zellteilung kürzer - ein Alterungsprozess setzt ein.

Blackburn und Greider entdeckten zwei Jahre später das "Gegenmittel": Telomerase. Dieses "Jung-Enzym" verlängert die Endteile wieder und gilt als Schlüssel zum Verständnis von Alterungsprozessen und Krebserkrankungen. Es ist vor allem in Zellen stark aktiv, die sich häufig teilen, wie Haarfollikelzellen, embryonale Stammzellen, aber auch Krebszellen.

In gewöhnlichen Körperzellen ist das Enzym dagegen nicht so aktiv. Forscher glauben, dass die Verkürzung der Telomere durch die Zellteilung die biologische Lebensuhr sein könnte. Wuchernde Krebszellen, die sich unbegrenzt teilen können, sind daher potenziell unsterblich.

Was bedeutet das für die Praxis? Die Pharmaindustrie arbeitet derzeit an Telomerase-Medikamenten, die kürzer gewordene Telomere in Zellen wieder nachwachsen lassen sollen. Außerdem wird untersucht, wie die Telomerase-Aktivität gehemmt werden kann, damit Krebszellen absterben.

Die drei US-Forscher galten als Favoriten auf den Nobelpreis, der in diesem Jahr zum 100. Mal seit 1901 vergeben wird. In den Jahren 1915 bis 1918, sowie 1921, 1925, 1940, 1941 und 1942 wurde die Auszeichnung nicht verliehen.

2008 hatte es für Deutschland Grund zum Jubeln gegeben. Der Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen wurde gemeinsam mit den beiden französischen Aids-Forschern Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier ausgezeichnet.