Ole Scheeren baut Pekinger Kunstzentrum

Peking (dpa) - „So ein Projekt wird nie wieder kommen“, schwärmt Ole Scheeren. Der deutsche Stararchitekt baut für das älteste chinesische Auktionshaus Guardian im Herzen Pekings ein großes Kunstzentrum.

Ole Scheeren baut Pekinger Kunstzentrum
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„Es stellt sich der Aufgabe, die Spannung zwischen Historie und Gegenwart aufzulösen“, sagt der 44-jährige Architekt der Deutschen Presse-Agentur in Peking. Das „weltweit erste maßgeschneiderte Hauptquartier“ eines internationalen Auktionshauses besitzt ein Museum, ein 120-Betten-Hotel mit einem atemberaubenden Blick auf die Verbotene Stadt sowie Restaurants und Veranstaltungsräume.

Sorgsam fügt Scheeren den achteinhalbstöckigen Bau gegenüber der Nationalgalerie in die Umgebung mit den alten Hutong-Gassen und Hofhäusern ein. Der verschachtelte Sockel nimmt die Kleinteiligkeit der denkmalgeschützten Nachbarschaft auf. Darauf sitzt ein Kasten, dessen Fensterfront wie traditionelle Ziegelmauern gemustert ist, was dem Bauherrn besonders gefallen habe. „Der Ziegelstein ist ein Symbol der bürgerlichen Gesellschaft, der Geschäfts- oder Kultur-Elite, und nicht die Anlehnung an die herrschenden Kaiser“, sagt Scheeren. „Es ist ein Symbol der Bescheidenheit und nicht des Pomps.“

Ein besonderer Clou ist die Silhouette, die Scheeren mit vielen runden, beleuchteten Fenstern um den Sockel legt. Es ist ein Schattenriss eines der berühmtesten Gemälde der chinesischen Geschichte von den Fuchun-Bergen. Das Bild des Malers Huang Gongwang aus dem 14. Jahrhundert wurde in den Wirren des Bürgerkrieges geteilt - eine Hälfte hängt heute in Taiwan, wohin sich die Nationalchinesen 1949 vor den Kommunisten geflüchtet hatten, die andere verblieb in China. Das Bild symbolisiert Trennung, aber auch kulturelle Einheit.

„Ole Scheerens Werk ist tief in Chinas Kultur und Geschichte verwurzelt“, sagt Chen Dongsheng, Chef des Auktionshauses, das nach Christie's, Sotheby's und Chinas Poly-Gruppe die Nummer Vier weltweit ist. Chen hatte seit mit den Wirtschaftsreformen seit den 80er Jahren die chinesische Lebensversicherung Taikang aufgebaut. Gemeinsam mit Wang Yannan, der Tochter des 1989 bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung gestürzten Parteichefs Zhao Ziyang, gründete er 1993 das Auktionshaus. „Das Kunstzentrum wird eine greifbare Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Knapp 100 Millionen US-Dollar soll es kosten, was offiziell unbestätigt bleibt.

Es ist das zweite Großprojekt von Scheeren in Peking. Weltweit berühmt wurde der Karlsruher durch das futuristische Zentrum des Staatssenders CCTV, das er mit dem Niederländer Rem Koolhaas entworfen hatte. Es zählt heute neben der Verbotenen Stadt, dem Himmelstempel und dem „Vogelnest“ benannten Olympiastadion zu den Sehenswürdigkeiten der 20-Millionen-Metropole. Es wurde 2013 als weltweit bestes Hochhaus ausgezeichnet. Wegen seiner ungewöhnlichen, komplexen Form, die einer gefalteten Röhre gleicht, ist es in China aber durchaus auch umstritten.

„Der CCTV-Tower ist ein Gebäude, bei dem es explizit um Zukunft geht“, sagt Scheeren. „Es liegt im modernen Geschäftsdistrikt, der eindeutig der Zukunft gewidmet ist.“ Ganz anders hingegen das Kunstzentrum des Auktionshauses, das an einem „historisch bedeutungsvollen und sensiblen Ort“ liege, sagt der Architekt. So steht der neue Bau an der Kreuzung von Chinas berühmtester Einkaufsstraße Wangfujing und der Verkehrsachse Wusi Dajie, die nach der 4. Mai-Bewegung benannt ist - der kulturellen und politischen Erneuerung am Ende der Kaiserzeit am Anfang des 20. Jahrhunderts.

Ein passender Ort für ein Auktionshaus: „Die Kreuzung zwischen Kommerz und Kultur“, sagt Scheeren. Über Jahre waren chinesische Architekten mit ihren Entwürfen gescheitert - sei es, weil der Bauherr nicht zufrieden war oder die Genehmigung der Stadtplaner und Denkmalschützer ausblieb. „Wir haben uns hier explizit mit der Frage von chinesischer Historie und Identität auseinandergesetzt. Es gab viele vorherige Entwürfe anderer Architekten, die dies wohl nicht beantwortet hatten“, sagt Scheeren. „Es ist eine schöne Auszeichnung, dass wir jetzt umsetzen können, was schier unmöglich schien.“

Er fühlt sich mit dem Erfolg auch darin bestätigt, von China aus und mit chinesischen Architekten zusammenzuarbeiten, sagt Scheeren, der seit zwölf Jahren in China lebt und sich hier mit seinem Büro selbstständig gemacht hat. „Dem Bauherrn war es wichtig, dass ich jemand bin, der sich vor langer Zeit entschieden hat, hier zu sein und die Dinge zu verstehen“, sagt Scheeren. „Das ist eine ganz wichtige Grundlage, sonst wäre es auch nicht so gelaufen.“