Opferanwalt nimmt Tüv ins Visier

Prüfstelle soll für Skandal um Brustimplantate zahlen.

Paris. Der Skandal um Billig-Silikonkissen der französischen Firma PIP („Poly Implant Prothese“) hat ein weiteres juristisches Nachspiel: Das Handelsgericht in Toulon befasst sich am 25. Juli mit einer Entschädigungsklage des Marseiller Rechtsanwaltes Laurent Gaudon. Dieser vertritt zwanzig französische und mehr als 200 ausländische Frauen.

Die Schuld schiebt der Anwalt insbesondere dem Tüv Rheinland zu, weil dieser den bedenklichen PIP-Kissen das Vertrauen erweckende „CE“-Gütesiegel verliehen hat. Der Tüv sieht der Anhörung vor dem Handelsgericht dennoch zuversichtlich entgegen. Sprecher Hartmut Müller-Gerbes: „Wir haben unsere Arbeit in völliger Übereinstimmung mit den europäischen Richtlinien gemacht und sind selbst Opfer des Betruges durch PIP und die dortigen Verantwortlichen.“

Anwalt Gaudon macht nicht nur seinen eigenen Mandantinnen große Hoffnung. Gebe ihm das Gericht in Toulon Recht, könnten alle Frauen, die PIP-Brustimplantate tragen, mit einer Entschädigung durch den Tüv Rheinland rechnen, sagte er. Schätzungsweise haben 500 000 Frauen in mehr als 60 Ländern solche Kissen erhalten. Anwälte beziffern die Schadensersatzforderungen auf insgesamt eine Milliarde Euro.

Der deutsche Prüfdienstleister mit Zentrale in Köln, einer der größten weltweit, weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und Ansprüche zurück. PIP-Gründer Jean-Claude Mas (73) habe falsche Unterlagen vorgelegt und sich so das Zertifikat erschlichen, rechtfertigt sich der Tüv.

Ein Betrug, den Mas gegenüber den Behörden bereits zugegeben hat. Demnach sollen Mitarbeiter Container mit minderwertigem Silikon immer dann beiseite geschafft haben, wenn Prüfer im Anmarsch waren. Der Tüv hat immer betont, „konstruktiv zur Aufklärung“ beitragen zu wollen. Schon Anfang 2011 hätten die Kölner die südfranzösische Firma wegen Betrugs angezeigt.

Anwalt Gaudon will sich mit dieser Stellungnahme jedoch nicht zufrieden geben. Er wirft den Prüfern vor, nicht ungemeldet bei PIP erschienen zu sein. Auch seien die Implantate selbst nicht gründlich geprüft worden.