Orkan „Andrea“ bringt Wind, Regen und Schnee
Berlin/Offenbach (dpa) - Mit heftigen Böen, peitschendem Regen und vielerorts Schnee ist Orkan „Andrea“ durch Deutschland getobt. In Bayern starb am Donnerstag eine 43-Jährige bei einem Autounfall, und in Belgien nahe Brüssel wurde ein 64-Jähriger von einer fünf Meter hohen Tür erschlagen.
In der Nacht soll das Unwetter abklingen - windig und regnerisch bleibt es aber auch in den kommenden Tagen. Im Emsland drückte eine Windböe ein Auto gegen einen Baum - die 23 Jahre alte Fahrerin wurde sehr schwer verletzt. Im Münsterland entgleiste ein Regionalzug beim Zusammenstoß mit einem umgestürzten Baum. Fahrgäste und Lokführer kamen mit dem Schrecken davon. Im Ort Wald im Allgäu stand am Abend nach einem Gewitter ein Kirchturm in Brand - der etwa 60 Meter hohe Turm drohte einzustürzen.
Bayern wurde in Teilen besonders hart getroffen. Im oberfränkischen Weißenstadt starb die 43 Jahre alte Autofahrerin nach einem Frontalzusammenstoß. Das andere Auto wurde von einer Sturmböe in den Gegenverkehr gedrückt, wie die Polizei vermutete. In Bremen stürzte ein Baum auf ein Taxi. Der Fahrer konnte sich bei dem Unglück auf den Beifahrersitz retten, wie die Polizei berichtete. Der Mann wurde an der Schulter verletzt.
Vielerorts blockierten umgestürzte Bäume die Straßen. In Regensburg und im bayerischen Thannhausen wurden Dächer eines Möbelhauses und eines Supermarktes abgedeckt. Die Autobahn 3 zwischen Nürnberg und Passau wurde auf einer Länge von etwa fünf Kilometern vorübergehend komplett gesperrt, um Teile eines Wellblechdachs zu bergen.
Bei Reken im Münsterland prallte ein Regionalzug gegen einen vom Sturm entwurzelten Baum und entgleiste. Vier Fahrgäste und der Triebwagenführer (43) kamen mit dem Schrecken davon. Wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilte, hatte der Zug am Donnerstagmorgen noch keine volle Fahrt aufgenommen und war mit etwa Tempo 70 unterwegs. Das Gleisbett wurde stark beschädigt. Daher war die Strecke von Coesfeld nach Dorsten am Donnerstag unterbrochen.
Der Sturm - benannt nach einer 34-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen - schien umso heftiger zu werden je weiter er sich nach Süden schob. Auf der Zugspitze und auf dem Feldberg im Schwarzwald wurden Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von 176 Kilometern pro Stunde gemessen. Im Landkreis Kusel in Rheinland-Pfalz wehte eine Böe ein Auto mit fünf Insassen von einer Bundesstraße in den Straßengraben. Verletzt wurde niemand, am Auto entstand jedoch Totalschaden. In Enkirch an der Mosel bog eine 69-Jährige in eine überflutete Unterführung ein - und blieb in dem hüfthohen Wasser stecken.
Die Deutsche Bahn ging in Baden-Württemberg auf Nummer sicher und stellte den Zugverkehr zwischen Villingen und Rottweil sowie auf der Dreiseenbahn zwischen Titisee und Seebrugg am Donnerstag ein. Es fuhren aber Ersatzbusse.
In Hessen riss „Andrea“ Bäume aus, warf einen Container von einem Schiff auf dem Rhein und wehte einen Lastwagen um. Verletzte gab es aber nicht. In Frankfurt wurden rund 20 für Donnerstag geplante Beerdigungen abgesagt. Die Gefahr, dass Trauernde von Bäumen oder Ästen verletzt werden, sei zu groß, hieß es. Auch in der Pfalz wurden vereinzelt Friedhöfe gesperrt. In Köln wurde die „Hochwassermarke eins“ erreicht. „Es gibt erste Einschränkungen für die Schifffahrt“, sagte der Leiter der Hochwasserschutzzentrale Reinhard Vogt. Zum Wochenende könnte sich die Hochwasserlage noch verschärfen.
„Bis zum Abend ist der Spuk in den meisten Teilen Deutschlands vorbei“, versprach Meteorologe Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. In den kommenden Tagen bleibe es aber windig, und in den Niederungen werde weiter Regen fallen.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg und Rostock warnte für Freitagvormittag an der Küste vor Sturmfluten. In der Kieler und der Lübecker Bucht werden Wasserstände bis 1,4 Meter über Normal erwartet, in der Region um Rügen bis 1,3 Meter über Normal. In den Alpen ist dagegen nach Einschätzung der Meteorologen eine Menge Schnee zu erwarten.
In Frankreich richtete der Sturm vor allem im Norden des Landes Schäden an Dächern und Oberleitungen an. Ein umgestürzter Baum auf der Autobahn Lille-Paris verursachte einen Unfall mit zwei Lastwagen.
In Belgien störte „Andrea“ die Hochgeschwindigkeitszüge Thalys zwischen den Niederlanden und Brüssel. Bei den Unwettern im ganzen Land gab es neben dem Toten in Roosdaal bei Brüssel mehrere Verletzte.
Auch in Teilen Großbritanniens wüteten Winterstürme. 16 000 Haushalte in Schottland waren seit Dienstag ohne Strom. In Zügen und Autos wurden am Donnerstagmorgen vier Menschen von umfallenden Bäumen verletzt. Brücken mussten gesperrt und Fährverbindungen unterbrochen werden.