Perlen-Ausstellung: Museum wird zur Schmuckschatulle

Unter dem schlichten Titel „Pearls“ zeigt das Victoria and Albert Museum in London genau das — Perlen, Perlen, Perlen.

London. Ihr blasser Charme zieht ganz verschiedene Frauen an: Marilyn Monroe und Margaret Thatcher, Diana und Kleopatra — sie alle schmückten sich mit Perlen. Abwechselnd als „Diamanten für Arme“ oder biedere Langweiler verrufen, überlässt jetzt das Victoria and Albert Museum dem unterschätzen Schmuck seine Bühne: Unter dem schlichten Titel „Pearls“ schimmern ihre Macht und Farben aus drei Jahrtausenden.

Fast scheint es, als würde man kein Museum, sondern eine Schmuckschatulle betreten — wie auf Samt haben die Kuratoren Hubert Bari und Beatriz Chadour-Sampson 200 faszinierende Kostbarkeiten präsentiert: Vor dem Grau der Wände öffnen sich über ein Dutzend historische Tresore und geben den Blick frei auf die Poesie der Perlen.

Tiaren europäischer Adelsfamilien, Kunstwerke aus dem Hause Chanel, aufgefädelt auf Pferdehaar, dazu überbordend verzierte Schmuckstücke — das weiße Meeresgut fasziniert global, Ost und West gleichermaßen, und das schon seit Jahrtausenden.

Die zurückhaltende Anmutung der Perlen machen auch die Kuratoren sich zu eigen, indem sie nicht gleich am Eingang mit den pompösesten Werken auftrumpfen, sondern mit einer naturwissenschaftlichen Wahrheit. Die mythenbeladene Perle, von sachlichen Zeitgenossen als ummanteltes Sandkorn aus dem Leib einer Muschel interpretiert, ist wesentlich weniger als das: Die Geburt einer Perle beginnt, stellen die Kuratoren klar, wenn Larven eines Bandwurmes, ausgeschieden durch Rochen oder Haie, irrtümlich von Muscheln bei der Nahrungsaufnahme eingeschlossen werden.

Ob Elizabeth Taylor, die sich gern mit Perlen so groß wie Kastanien behängte, diese unglamouröse Vergangenheit ihrer Preziosen kannte, ist fraglich. Die unrühmliche Entstehung ändert aber auch nichts an ihrer Kostbarkeit: 2000 Muscheln mussten Perlentaucher zu ihren Hochzeiten öffnen, um nur einen einzigen, winzigen Schatz darin zu entdecken. Größere, seltenere Perlen finden sich nur in einer von 100 000 Muscheln.

Der Wert einer Cartier-Kette aus dem Jahr 1930 wird erst so begreifbar: Auf fünf Strängen sind die Perlen der Größe nach aufgereiht. „Um sie so fein abzustufen, hat es ein Minimum von 5000 Perlen zur Auswahl gebraucht“, erläutert Bari. Wie sehr Perlen seit dem Mittelalter auch ein Paradox aus Macht und Bescheidenheit verkörpern, zeigt der Exkurs in Kathedralen und Paläste Europas. Dort schmückte das Symbol der Unschuld wichtige liturgische Bücher, Messweinbecher und kirchliche Gewänder.

Sie stiegen auf zum Statussymbol: Napoleons Gattin Eugénie und Queen Victoria bezeichneten Staatsbesuche als „Gladiatorenkämpfe, in denen Juwelen als Waffen gezückt werden“. Manch wichtiger Mann trug seine Perlen so bis aufs Schafott: König Charles I. etwa, geköpft 1649, gab seinen tropfenförmigen Ohrring posthum und sicher nicht freiwillig an seine Henker ab. Heute lässt sich das im Kontrast zu seiner hässlichen Vergangenheit edle Stück mit einigem Grausen in der Ausstellung betrachten.