Raketenradler: 260 Sachen in acht Sekunden

François Gissy steuert eine Rakete auf zwei Rädern. Im Beruf lässt er es deutlich langsamer angehen — er fährt einen Schulbus.

Ranspach. Gäbe es James Bond wirklich, er würde vor Neid erblassen. Oder Tüftler Q sofort losschicken, um auch so etwas zu basteln. Die Rede ist von einem Geschoss auf zwei Rädern.

Ein Fahrrad, das mit Pedalkraft so wenig am Hut hat wie ein Speed-Boot mit einem Floß. Eine Rakete aus Metall, die innerhalb von acht Sekunden auf 263 Kilometer in der Stunde beschleunigt. Dass so etwas nicht nur im Spionage-Thriller geht, haben über eine Million Menschen auf Youtube verfolgt.

Im Frühjahr startete der Franzose François Gissy mit seinem Bike der Marke Eigenbau auf einer abgesperrten Landstraße durch — vorbei an einem aufgemotzten Subaru Impreza STI, den er trotz eines Vorsprungs von 150 Metern wie einen Traktor überholte. Draufgänger? Adrenalin-Junkie? Genialer Bastler?

„Wahrscheinlich“, sagt Gissy, „bin ich ein bisschen von allem.“ Der Ort, in dem der 30-Jährige wohnt, wirkt alles andere als abenteuerlich. Ranspach, ein 800-Seelen-Dorf mitten im Elsass, hat außer einer Landstraße, einer Kirche und ein paar Bistros nicht viel zu bieten. Womöglich war es diese Idylle, die Gissys Sehnsucht nach Action und Geschwindigkeit weckte.

Oder sein vergleichsweise normaler Beruf. Gissy arbeitet als Schulbusfahrer, wohnt noch im Elternhaus und verbringt jede freie Minute damit, etwas für sein außergewöhnliches Hobby zu tun.

Stolz zeigen Gissy und seine Eltern die Hayabusa Turborocket. Von vorn sieht das Motorrad wie ein gewöhnliches Serienmodell aus. Erst am Heck wird’s exotisch: Das Hinterrad wurde durch eine kastenartige Metallkonstruktion ersetzt, an deren Ende ein Breitreifen befestigt ist. Überall Rohre, Ketten, Tanks und eine analoge Druckanzeige.

„Die Turborocket ist noch viel heftiger als das Raketen-Bike“, sagt er und rattert die technischen Details runter: umgebaute Suzuki-Maschine, Wasserstoffperoxid-Antrieb, Höchstgeschwindigkeit 280 Sachen innerhalb von 4,5 Sekunden. „Dieser Antrieb ist extrem gefährlich“, sagt Gissy. „Das sowjetische Atom-U-Boot Kursk? Das ist in die Luft geflogen, weil eine Wasserstoffperoxid-Leitung leckte.“

Woher hat ein Schulbusfahrer das Wissen dazu? „Ich fahre“, sagt er. „Aber das Genie ist jemand anderes.“ Er meint Arnold Neracher. Der 64-jährige Chemiker ist der Schrauber im Hintergrund.

Unter dem Label „Exotic Thermo Engineering“ baut Neracher eine Rakete an alles, was zur Fortbewegung dient: Motorräder, Fahrräder, Go-Karts, Autos. Sogar an einen Rucksack — genau wie bei 007. Kennengelernt haben sich die beiden an einer Teststrecke. „Ich habe schon als Schüler immer bei diesen verrückten Shows zugeschaut“, erzählt Gissy. Irgendwann habe er ihn angesprochen. Seither arbeiten sie zusammen.

Mehrere Tausend Euro ihres Privatvermögens habe der Spaß bisher gekostet. „Jetzt sind wir am Limit“, seufzt Gissy. „Wir bräuchten 50 000 Euro, um weiterzumachen.“ An Ideen mangelt es nicht, eher an Sponsoren. Für Gissy völlig unverständlich: „Unsere Rekorde sehen Millionen von Menschen. Welche bessere Werbung kann es für ein Unternehmen geben?“