Das andere Foto Peter Lindbergh als Straßenfotograf
Düsseldorf (dpa) - Beim neuen Pirelli-Kalender hat Star-Modefotograf Peter Lindbergh alles anders gemacht. Junge und ältere Filmstars von Léa Seydoux bis Helen Mirren fotografierte er, ohne sich um verbreitete Schönheitsideale zu scheren.
Lindbergh (72) hat, obwohl er den Mythos des Supermodels mitbegründete, schon früher seinen Blick auf den Menschen und nicht das Model gerichtet. In der anspruchsvollen Doppelpräsentation „Women on Street“ im Düsseldorfer NRW-Forum wird Lindbergh zusammen mit seinem Vorbild, dem in Deutschland wenig bekannten US-Fotografen Garry Winogrand (1928-1984), als Straßenfotograf präsentiert.
Winogrand war in den 50er bis 70er Jahren sozusagen der Meister der Straße. Sein Buch „Women are beautiful“ gilt bis heute als Standardwerk der „Street Photography“.
Kurator Ralph Goertz hat rund 85 Schwarz-Weiß-Fotos Winogrands und mehr als 40 Schwarz-Weiß-Aufnahmen Lindberghs, die am Rande von Modeshootings auf der Straße entstanden, nicht etwa gegenübergestellt, sondern sie gemischt. Welches Foto ist von Lindbergh, welches von Winogrand? Da muss der Betrachter nicht nur ganz nah an die kleinformatigen Fotos herantreten, so ähnlich erscheint die Bildsprache der beiden Fotografen auf den ersten Blick. Erstmals überhaupt sind auch Winogrands seltene Farbfotos aus den 50er und 60er Jahren zu sehen.
„Es geht nicht darum, die subjektive Schönheit und die perfekte Frau darzustellen“, sagt Goertz. Er wolle die beiden Fotografen vielmehr als große „Frauenliebhaber“ zeigen. Bei Winogrand stehe nicht das schöne Gesicht oder der tolle Körper der zufällig auf den Straßen New Yorks oder anderer Städte fotografierten Frauen im Mittelpunkt. Es seien vielmehr die kleinen Gesten - das gedankenverlorene Herumspielen im Haar, das Übereinanderschlagen der Beine.
Lindbergh hat im Gegensatz zu Winogrands zufälligen Begegnungen gezielt zwei Models auf der Straße fotografiert und nichts dem Zufall überlassen. Ein Model kann dennoch in auffälliger High End Fashion über die Straße spazieren, aber in der Masse der Menschen gar nicht auffallen. Der Blick des Betrachters konzentriert sich nicht mehr nur auf die immer unnahbare und rätselhafte Schönheit, sondern er nimmt die vielen kleinen Geschichten um sie herum wahr.
Fast 30 Jahre liegen zwischen den Fotos von Lindbergh und Winogrand, doch sie wirken zeitlos. Winogrand ist in Deutschland sicher eine Entdeckung. Und Lindbergh werde, so Goertz, „positiv reduziert auf den Künstler“.
Für den Kunsthistoriker Werner Spies, der einen Essay zu der Schau verfasst hat, stehen Lindbergh und Winogrand dennoch für völlig gegensätzliche Vorgehensweisen. Auch wenn Lindbergh die Straße fotografiere - „die Straße ist nie sein Thema“, konstatiert Spies. Unordnung und Improvisation passten nicht zu dem von Klassizität geprägten Fotografen.
In Winogrands Arbeiten entdecke man dagegen nichts Inszeniertes oder Geplantes. Winogrand fotografierte besessen und hinterließ mehrere hunderttausend Negative. „Er musste auf der Straße sein“, schreibt sein Fotografen-Freund Joel Meyerowitz. Die Ausstellung läuft bis zum 30. April