Peter Scholl-Latour: „Ich muss mal wieder raus!“

Seit sechs Jahrzehnten erklärt Peter Scholl-Latour den Deutschen die Welt. Am Sonntag wird er 90 — und ist noch immer unterwegs. Demnächst im Tschad.

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Berlin. Der Islam, so hat es einmal ein Kabarettist gesagt, habe drei Glaubensrichtungen: Sunniten, Schiiten — und Peter Scholl-Latour. Jedenfalls hat der Journalist das Bild der Deutschen von der arabischen Welt, aber auch von Asien und Afrika, nachhaltig geprägt.

In seinem mittlerweile legendären Nuscheln berichtet Scholl-Latour von der großen Politik, wie er sie sieht. Er war überall und hat sie alle gekannt — vom Ajatollah Khomeini bis zum Vietcong-General Vo Ngyuen Giap. Stempel von 200 Staaten, von denen so mancher schon lange untergegangen ist, hat er in seinen Pässen. Ein paar Tage nach seinem 90. Geburtstag reist Scholl-Latour nach N’Djamena in den Tschad. „Ich muss mal wieder raus“, sagt er.

Die Hoffnungen, die sich mit dem „Arabischen Frühling“ verknüpften, hält Scholl-Latour für maßlos überzogen. „Das ist eine arabische Katastrophe“, sagt er. „Kein Land steht heute besser da als vor der Revolte.“ Auch die Rolle des Internets werde überschätzt. „Eine Verschwörung kommt nur durch persönliche Beziehungen zustande, nicht durch sogenannte Freunde bei Facebook.“ Wegen solcher Einschätzungen ist ihm zuweilen koloniale Mentalität vorgeworfen werden.

Dabei blickte der Sohn eines im Saarland geborenen und in Lothringen aufgewachsenen Arztes sehr früh über den eigenen Tellerrand. Seine elsässische Mutter („eine Frau mit viel Courage“) entkam als Jüdin knapp der Deportation. Scholl-Latour ging im schweizerischen Fribourg in ein Jesuitenkolleg. Seine Eltern wollten ihn nicht in Deutschland haben: Nach den Nürnberger Rassegesetzen galt er als „Mischling ersten Grades“.

Sofort nach Ende des Zweiten Weltkrieges meldete er sich bei einer französischen Elite-Einheit. Die Soldatenausbildung habe ihm sehr geholfen — auch die Erfahrung als Fallschirmspringer in Indochina: Sein 1979 erschienenes Buch „Tod im Reisfeld“ über den Vietnam-Krieg wurde später Scholl-Latours größter Erfolg. Rund eine Million Mal ging es über die Ladentheken.

Richtig wohl fühlte sich Scholl-Latour in Krisengebieten. Er berichtete aus dem Dschungel über den Vietnamkrieg, wurde 1973 Gefangener der Vietcong-Guerilla, zog mit den Mudschahedin durch Afghanistan. Mut und Überlebensinstinkt hätten ihm dabei geholfen. Er traue nur dem, was er selbst sehe, von den neuen Informationswegen halte er nicht viel. Technisch sei er beim Faxgerät stehengeblieben: „Ich bin ein Dinosaurier.“

Seinen größten Scoop, den Flug mit dem iranischen Revolutionsführer Khomeini aus dem Exil nach Teheran, habe er wohl auch seinem Verständnis für den Fundamentalismus zu verdanken. Zu den Koran-Gelehrten habe er immer einen guten Draht gehabt: „Da hat mir die katholische Erziehung sehr geholfen.“