Pfandbecher - Die Lösung fürs Müllproblem durch „Coffee to go“?
Milliarden Pappbecher landen jährlich im Müll. Mehrweg soll das ändern. Ob Pfandbecher sich durchsetzen können, ist fraglich.
Düsseldorf. „Coffee to go“ ist eine ambivalente Sache: Zum einen steht der Kaffeebecher in der Hand für urbane Geschäftigkeit, für Auf-dem-Sprung-Coolness. Und er ist einfach praktisch für diejenigen, die keine Zeit haben, ihren Kaffee im Sitzen zu trinken. Zum anderen ist der Pappbecher zum Symbol für die Wegwerfkultur geworden. Denn umweltfreundlich sind die Massen an Bechern, die täglich in den Mülleimern der Republik landen, keinesfalls. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schätzt, dass 320 000 Becher pro Stunde, rund 2,8 Milliarden pro Jahr in Deutschland verbraucht werden. Da scheint ein Lösungsansatz sinnvoll: Pfandsysteme für Kaffeebecher.
Zwei, die ein solches System in Düsseldorf aufgebaut haben, sind die Studienfreunde Sven Hennebach und Franziskus von Boeselager: Sie haben im Frühjahr begonnen, ihre recycelbaren Plastikbecher in Cafés zu etablieren. Mittlerweile gibt es die „Cupforcup“-Becher auch in den Städten Dortmund, Köln, Wuppertal. In Düsseldorf gibt es die meisten Kooperationen, 37 Cafés und Bäckereien machen mit.
Für einen Euro Pfand gibt es einen Becher, der bei jedem beteiligten Café oder Bäcker wieder abgegeben werden kann. „Die meisten Frauen spülen den Becher immer einmal durch, bevor sie ihn abgeben. Männer machen das fast nie“, sagt Marko Szymczak schmunzelnd. Er betreibt das Café Kaffeehandwerk im hippen Düsseldorfer Stadtteil Flingern. Seit April bietet er seinen Gästen auch die Pfandbecher an, er war im April der Erste, der von Cupforcup angefragt wurde. Ob vorgespült oder nicht: Die Becher werden bei Szymczak gereinigt und weitergegeben. Häufen sich mehr Becher an, als er von „Cupforcup“ für einen Euro gekauft hat, werden die abgeholt.
Noch reiche der Kundenstamm nicht aus, um ein wirklich lukratives Geschäft mit den Bechern zu machen. Die Cupforcup-Gründer verdienen an einer Servicepauschale, die die Cafés an sie entrichten. Von Boeselager sieht aber auch noch Potenzial bei den Kaffeekunden: „Die Leute sind zu zögerlich.“ Viele scheuten sich vor den vermeintlichen Umständen, die ihnen ein Pfandbecher bereitet. „Den wird man ja nicht an der nächsten Mülltonne los“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter. Sein Becher habe aber das Potenzial, 400 Pappbecher einzusparen, und lässt sich nach Ablauf seiner Lebenszeit weiterverwerten. Außerdem wird er in Solingen produziert.
In Hamburg, Berlin, München, Freiburg und anderen Großstädten gibt es ähnliche Systeme: Für ein Pfand von einem bis vier Euro gibt es einen Kaffeebecher, der auch mal zu Hause vergessen werden kann — dann gibt es einen neuen und beim nächsten Mal werden zwei Becher zurückgebracht. Das sei ein Vorteil gegenüber den Mehrwegbechern zum Kaufen, sagt von Boeselager: „Coffee to go hat ja auch was mit Spontaneität zu tun. Und den eigenen Becher hat man nicht immer dabei.“
Einen wirklich umweltfreundlichen Deckel gibt es für den Pfandbecher von „Cupforcup“ noch nicht. Bisher verwenden die Café-Betreiber die gängigen Einweg-Deckel aus Plastik. „Einen Pfand-Deckel bekommen wir hygienerechtlich nicht durch“, erklärt von Boeselager. Man arbeite aber an einem umweltverträglichen Mehrweg-Modell, das zum Verkauf angeboten werden soll. Den Deckel müsse man dann eben immer dabei haben. „Oder auch mal ohne auskommen“, sagt der Gründer.
Wirtschaftswissenschaftler und Verhaltensökonom Peter Kenning, Professor für Marketing an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, sieht jedoch kaum Zukunftschancen für Pfandsysteme wie diese. „Solange sich der Status quo nicht ändert, etwa durch ein gesetzliches Verbot von Pappbechern, wird der Großteil der Menschen sein Verhalten nicht ändern. Dafür bleiben sie zu gerne in ihrem Trott. Und auf der anderen Seite sind die Begleitumstände eines solchen Pfandbechers zu umständlich und die Vorzüge seiner Nutzung zu wenig offensichtlich.“ Mit einfachen, appellativen Elementen komme man da nicht weit: Es reiche nicht, den Menschen zu sagen, dass es einfach besser wäre, einen solchen Becher zu benutzen. Kenning begründet das mit Trägheit: Die Leute verlassen nur ungern den Zustand, in dem sie sozialisiert wurden. Und: „Morgens in der Bäckerei herrscht meistens Hektik. Die Verkäuferin hat kaum Zeit, das System zu erklären, der Kunde will den Betrieb nicht aufhalten. Und dann ist da noch die Frage: Wohin mit meinem Becher, wenn ich den Kaffee ausgetrunken habe? Das sind alles zu hohe Hürden, um den Pfandbecher bei der Masse zu etablieren.“